„Ich kann mich nie zwischen Farbe und Schwarz/Weiß entscheiden“, erklärte ANANA KAYE gerade eben auf ihrer facebook-Seite – und meinte damit zunächst mal das Fotografieren. Dann ergänzt sie allerdings noch: „Ich glaube, das kann man sogar in unserer Musik hören.“
ANANA und ihr Ehemann IRAKLI GABRIEL stammen ursprünglich aus Georgien, haben aber ihre Basis in Nashville aufgeschlagen, wo sie die Foto- und Video-Produktionsfirma 'Duende Vision' betreiben, von wo aus sie seit 2016 musikalisch tätig sind – und gelten seither als neue Americana-Hoffnung; nicht zuletzt, weil sie einen musikalischen Brückenschlag zwischen alter und neuer Welt zu schlagen imstande sind. Von vornherein setzten ANANA und IRAKLI dabei auf Kollaborationen (etwa mit MIKE SCOTT von den WATERBOYS) und insofern ist es nicht verwunderlich, dass sie begeistert einwilligten, mit dem legendären DAVID OLNEY ein gemeinsames Konzeptalbum einzuspielen, der damit die Stafette auch an die jüngere Generation weiterzureichen gedachte. Was dann folgte, ist tragisch: An dem Tag im Januar 2020, an welchem IRAKLI die Produktionsarbeiten an dem Album abschloss, verstarb DAVID OLNEY unerwartet mitten während eines Bühnenauftritts an einem Herzinfarkt.
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Insofern geriet das nun vorliegende Album „Whispers And Sighs“ ungewollt zu einem musikalischen Nachruf an den Mann, den TOWNES VAN ZANDT und STEVE EARLE zu einem der größten seiner Zunft zählten.
Auf der musikalischen Seite ist „Whispers And Sighs“ dabei ein faszinierendes Mosaik aus Folk, Folklore, Kaputnik-Blues, schroffem Rock, Noir-Balladen, Moritaten, Kammermusik und einer Prise vaudeville-mäßiger musikalischer Zirkusluft geworden, in dem auf der inhaltlichen Seite Mystik, Mythologie, Philosophie, Spiritualität und Poesie zu einem facettenreichen, zuweilen operettenhaftem und dann auch irritierend schlüssigem Ganzen verquirlt werden. Nur, dass es eben keine klare Trennlinie zwischen Farbe und Schwarz/Weiß gibt …
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FAZIT: Irgendeine Art von Todesahnung ist in die Songs dieses bemerkenswerten Albums nicht hineinzuinterpretieren, denn obwohl DAVID OLNEY „jeden seiner Songs schrieb, als sei es sein letzter“ (wie Kollegin MARY GAUTHIER ganz treffend bemerkte) und obwohl er sich in Stücken wie „My Favourite Goodbye“ um die Verklärung von Erinnerungen an liebgewonnene Personen beschäftigt oder man den „Disappearing Act“ des „Great Manzini“ auch auf ihn beziehen könnte, tut er dieses keineswegs auf eine lamentöse oder depressive Art, sondern betont versöhnlich, tröstlich und gelassen. Dazu im krassen Kontrast stehen die im Vergleich radikaleren musikalischen Ansätze ANANA KAYES und IRAKLI GABRIELS, die freilich den Meister auch wieder zu interessanten Konzessionen anregten.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2021
Daniel Seymour, Chris Donohue
David Olney, Anana Kaye, Irakli Gabriel
David Olney, Anana Kaye, Irakli Gabriel
Schoolkids Records
49:24
19.03.2021