Ein traumwandlerisch tönendes Debütalbum nahm im Herbst und Winter 2019/2020 die finnische Band EINVIGI auf, ließ es im folgenden Sommer von Jaime Gomez Arellano mastern, und im Dezember 2020 wurde es schließlich von Inverse Records als Digipak-CD veröffentlicht. Ob es dem finnischen Naturell und der "Größe" des Labels anzulasten ist, dass der Name EINVIGI bislang noch kaum außerhalb der Heimat die Runde machte? An der Musik auf "Sielulintu" jedenfalls kann es nicht liegen, denn die klingt für ein Debüt ungewöhnlich reif und - trotz schwarzmetallischer Stilelemente - erfreulich hell.
Der Einstieg mit "Soturin Uni" gerät zunächst freundlich entspannt und entspricht der sonnigen Stimmung des Bandphotos auf dem Backcover. Erst nach drei Minuten ertönt harscher Gesang über dem chilligen Post Metal, der bald auch um harmonischen Chorgesang ergänzt wird. Das klingt bereits mehr als nett - und abwechslungsreich.
Alter Schwe... Finne, was geht da bloß ab? Der zweite Song "Alltarille" geht vehementer zum Angriff über als alles, was wir bisher von Klimt1918 gehört haben, erinnert jedoch zunächst an die erhebendsten Melodien der Italiener, wobei das Schlagzeugspiel von Henri Sund so wuchtig ist, dass es die Nummer fast schon ein bisschen zu zerhacken droht. Doch eben nur fast - denn der ziemlich grandiose Blackgaze-Beginn wird vom Quartett zu einem epischen Metal-Hammer ausgebaut, der von atmosphärischen Passagen umschlossen wird. Wenn Ihr Euch jetzt fragt, ob es sich nun um soften Postrock / Blackgaze oder um kraftvollen Metal handelt, dann tut Euch einfach den Gefallen, und hört es Euch selbst an. Und wenn Ihr denkt, dass der Song hier und da irgendwie auch poppig klingt: Ja, das habe ich auch gedacht, bis einmal mehr der harrsche Gesang an Häive erinnert. Was für eine grandiose Nummer!
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Vergleiche werden EINVIGI allerdings nicht wirklich gerecht. Doch wenn mir bei "Synty" als erstes eine metallische Version von Tenhi in den Sinn kommt, dann sollte das bereits eine Menge über die Musik aussagen, die hier schwarzmetallische Wurzeln offenlegt, gleichzeitig jedoch einladend und mitreißend tönt wie kaum eine Band aus jenem Genre. Egal, welche Einflüsse die Finnen auch aufgreifen, sie klingen so souverän und geradlinig wie ein Ensemble, das bereits einige Jahre zusammenspielt und genau weiß, wohin die Reise gehen soll: Auf dem nach einem Seelenvogel benannten Debüt-Album zunächst ins (hier) lichte Reich der finnischen Mythen, die wahrscheinlich selten so ermutigend vertont wurden wie auf "Sielulintu". Finnische Schwermut? - Pustekuchen!
Der anschließende Titelsong hat anfangs etwas von Long Distance Calling, bevor Fahrt aufgenommen wird. Blackgaze-Raserei und schwelgerischer Indie-Dream-Pop-Rock geben sich in der Folge die Klinke in die Hand. Ob das nicht total chaotisch klingt? Im Gegenteil: Absolut eingängig und wie aus einem Guss, und trotz aller Eingängigkeit manchmal fast schon verwegen und episch.
Sollte ich etwas kritisieren, dann müsste ich wohl das zuweilen etwas primitiv tönende Drumming erwähnen, vielleicht auch noch die ziemlich kurze Spielzeit, doch damit wäre der Rezensenten-Pflicht genüge getan.
Natürlich ließe sich überlegen, wie "Sielulintu" wohl klänge, wenn die Produktion "professioneller" ausgefallen wäre und Unsummen verschlungen hätte - doch würde dann die E-Gitarre im das Album beschließenden "Korven Yllä Tanssivat Taivaan Tulet" immer noch herrlich eigen klingen? Und überhaupt das ganze Album so natürlich, beschwingt und mitreißend? Ich wage es zu bezweifeln.
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FAZIT: "Sielulintu" ist ein lichtdurchwirktes, stimmungsvolles und immer wieder mitreißendes Album, das jedem Liebhaber härterer Rock- und Metal-Klänge zwischen Tenhi und Alcest bedenkenlos ans Herz gelegt werden kann, und bereits jetzt mit Staunen machender Souveränität über Stilgrenzen und die Vorarbeit von Pionieren hinausweist, denn EINVIGI klingen vor allem wie sie selbst, und sie spielen auf ihrem Debüt grandios schöne Musik, die Vorfreude auf zukünftige Aufnahmen und Konzerte weckt.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.11.2021
Joonas Koppanen
Petteri Granberg, Jonas Koppanen
Petteri Granberg, Krister Virtanen
Henri Sund
Inverse Records
35:40
15.12.2020