Diese Platte war überfällig, auch weil sich EYEHATEGOD mit dem nach ihnen selbst benannten Vorgänger 2017 auf ihrem Schaffenszenit befanden, doch in New Orleans ticken die Uhren seit je anders, und einmal mehr musste die Band mit mehreren Fallstricken fertig werden, die sie an der Arbeit an neuem Material hinderten.
Gut Ding will sowieso Weile haben, und insofern enttäuscht "A History of Nomadic Behavior" nicht im Geringsten. EYEHATEGOD bleiben eine Sludge-Marke für sich und sind den meisten Bands, die sich in diese Schublade stecken lassen, nach wie vor weit voraus bzw. überlegen. Eingängige Asi-"Hits" wie 'High Risk Trigger', das auch einigermaßen konventionell strukturiert ist, oder 'The Trial of Johnny Cancer' befinden sich unter den neuen Songs wie gewohnt in der Minderheit, doch die Songwriting-Klasse der Gruppe sucht weiterhin ihresgleichen.
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Irgendwie geht am Ende doch immer alles logisch auf, wobei eines konstant bleibt: die ureigene Handschrift, kreativ mit Rückkopplungen zu arbeiten ('Current Situation'), scheinbar primitiv Krach zu schlagen und trotz alledem stets dazu anzuregen, mit dem Kopf zu nicken. EYEHATEGOD sind auch und gerade auf der rhythmischen Ebene eine enorm spannende Band - höre das kantig abgehackte 'Built Beneath The Lie' und das Start-Stopp-Verfahren während 'The Day Felt Wrong'.
Solchem Stoff stehen wiederum zähe Groover wie 'The Outer Banks' gegenüber, die den NoLa-Vierer genau so präsentieren, wie man ihn kennt und schätzt, im Fall der ersten Nummer auch inklusive Hardcore-Eruption im Mittelteil und immerzu mit haarsträubend offenen wie bildhaften Texten, mit denen sich der ewig gebeutelte Schreihals Mike IX Williams einmal mehr als Gossenpoet erster Güte bestätigt.
'Anemic Robotic' rückt unterdessen Jimmy Bowers über alle Vergleiche erhabenen Gitarrensound in den Brennpunkt. Die eine bluesige Minute 'Smoker's Piece' fungiert als Verschnaufpause vor dem Endspurt, der gleichwohl - was sonst? - gemächlich und ungelenk ausfällt; 'Circle of Nerves' und 'Every Thing, Every Day' sind zwei weitere Schlepper, deren Dringlichkeit, was Mikes Vortrag angeht, ihre Position hinten in der Tracklist stimmig erscheinen lässt. Welcome back, guys!
FAZIT: Eine Ausnahmeband mit einem weiteren Bravourstück - "A History Of Nomadic Behavior" ist dem vorangegangenen "Eyehategod" mindestens ebenbürtig und unterstreicht EYEHATEGODs Bedeutung als unkopierbare Vertonung von politischem Unmut, Drogeneskapaden, (Selbst-)Hass und letzten Endes Läuterung … ungeheuer wertvoll, wenn auch nicht unbedingt unter grundschulpädagogischen Gesichtspunkten. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/4ef06064e2d34da48a1fd21d46a6aeb7" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.03.2021
Gary Mader
Mike IX Williams
Jimmy Bower
Aaron Hill
Century Media / Sony
41:53
12.03.2021