„Happy End!“ ist das fünfte Album des französischen Electronic-Duos FORETASTE, bestehend aus den Mitgliedern mit den kryptischen Namen Creature XX und Creature XY. XX ist für den Gesang zuständig, während XY die Instrumente bedient. Für den Mix des Albums ist unter anderem Member U-0176, bekannt als SIGNAL-BRUIT, zuständig.
Getarnt hinter scharfkantigen Klängen, Zwitschern, Zirpen und kleinen Störattacken sind FORETASTE wie viele andere Musiker*innen, die sich der elektronischen Variante des dezent avantgardistischen Pops verschrieben haben, wahre Romantiker mit gebrochenem Herzen. XXs Stimme erinnert gelegentlich an PROPAGANDAS Claudia Brücken (mit charmantem französischem Akzent) und sorgt nicht nur deshalb für ein gerüttelt Maß an sehnsuchtsvoller Melancholie. Auch XYs Tastenspiel verbirgt hinter der scheinbar kalten Fassade ein Menge Wärme. So entsteht wehmütiger Pop, der sich genügend Kratzbürstigkeit bewahrt, um nicht als profane Untermalung eines Tik Tok-Tanzkurses für Westworld-Fans zu enden.
Die Songs sind knackig kurz, sodass keine Langeweile entsteht, wenn sich Tonfiguren und Textzeilen wiederholen und rhythmisch Maschinenträume wahr werden. Dem „Robotic Blues“ leiht JB Lacassagne (bei dem Namen muss man aufpassen, sich nicht zu verschreiben…) seine Stimme und schafft im Verbund mit der einprägsamen Melodie und dem ökonomischen Synthie-Einsatz einen der chromherzzerreißenden Höhepunkte des Albums. Ob es ein „Happy End!“ gibt, stellen FORETASTE im nervös-repetitiven Titeltrack natürlich ironisch in Frage: „What do you think? Do you think it’s time? – You’re so cute - Happy End!“ „Mechanic Meganice“ würde der die das Millennial vermutlich dazu sagen.
FAZIT: „Happy End!“ ist eine wehmütige Traumreise für elektrische Schlafschafe. Auch wenn die Module dezent verrücktspielen und zackig voranmarschiert wird, bleibt die Musik des französischen Duos im steten Fluss. Die naheliegenden Vorbilder und musikalischen Verwandten sind klar erkennbar (von frühen DEPECHE MODE über CAMOUFLAGE bis Jean-Michel Jarre), trotzdem bleibt FORETASTEs Sound angenehm eigenständig. Ein Ausblick auf moderne Zeiten ist das Album allerdings nicht. Eher eine Nabelschau durchs Elektronenmikroskop.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.03.2021
Creature XX, JB Lacassagne
Creature XY
Creature XY
BOREDOMproduct
42:59
29.01.2021