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Glasgow Coma Scale: Sirens – Limitiertes rotes Vinyl

Stil: Post- und Stoner-Rock

Cover: Glasgow Coma Scale: Sirens – Limitiertes rotes Vinyl

Auch wenn es uns der Bandname GLASGOW COMA SCALE gerne weismachen möchte, dass dieses progressiv-psychedelische Post-Rock-Trio aus der größten Stadt Schottlands kommt, in der man gerade mal wieder klimagipfelnd wohl nur – zumindest aus Friday-For-Future-Sicht – einen Haufen Scheiße baut, die eben nicht ökologisch abbaubar ist, so kommt dies lokale Mogelpackung eben doch aus der deutschen Stadt der größten Bänker: Frankfurt.

Aber auch wenn der musikliebhabende Mediziner glaubt, hier käme nun eine wissenschaftliche Abhandlung im Rahmen der Trauma-Therapie, bei der anhand besagter Skala eine Bewusstseinsstörung abgeschätzt werden muss, der irrt. Obwohl auch hier gilt: das Bewusstsein wird von GLASGOW COMA SCALE ebenfalls deutlich herausgefordert, angesprochen und für den Einen oder die Andere auch mächtig strapaziert.

Gut – lokal wie wissenschaftlich betrachtet ist das alles ein wenig verunsichernd, musikalisch aber ist das, was auf dem limitierten roten Vinyl von „Sirens“ postrockig abgeht und sich mitunter im ewigen Space verliert, höchstbeachtlich. Die ideale Ablenkung im Grunde dafür, dass wir, auch wenn wir keine Kosmonauten sind, hier ganz im Gegensatz zu unserem echten Kosmonauten Maurer, den die NASA in die Warteschleife geschoben hat, ausgiebig abheben dürfen. Und dass unser Flug zu den Sternen oder zur ISS oder auf den Mond oder irgendeinen anderen Erdtrabanten doch recht finster, manchmal gar bedrohlich ausfällt, dafür sorgen GLASGOW COMA SCALE zur Genüge mit Schlagzeug, Gitarre und Bass sowie einigen Synthi-Spielereien und verschiedenen Sprach-Samples.

Nur zu gut passt zu den Klangwelten auf „Sirens – Limitiertes rotes Vinyl“ das kunstvoll gestaltete, apokalyptisch wirkende, Comic-hafte Klappcover im Inneren wie Äußeren der Gatefold-LP. Und auch der Start Richtung „Orion“ hat eine futuristisch-cinematische Ausstrahlung – viel Space, kosmonautische Sprachsamples, und sich auftürmende Gitarrenwände, während der neue GLASGOW COMA SCALE-Schlagzeuger Lala Adamowicz durchgängig einen treibenden, sich stetig wiederholenden Rhythmus, der immer wieder von druckvolleren Bass-Passagen und fetten Gitarren-Riffs durchbrochen wird, vorlegt.

„Magik“ springt genau auf die Orion-Rakete auf, schwebt etwas mehr und spielt mit psychedelischen Klangmustern, die sich zwischen MOGWAI und OZRIC TENTACLES ein ruhiges Plätzchen im „Sirens“-Gefüge suchen.

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Der Dreiviertel-Takter „Underskin“ setzt dann intensiver auf Stoner-Rock-Stärken und lässt vorerst das Raumschiff am Boden, so als müsste erst einmal die Start-Phase vorbereitet werden. Aber auch hier wiederholen sich die Rhythmen stetig, selbst wenn die Stimmung zwischen hart und ruhig schwankt, wobei sich die eigentliche Schwäche das Albums andeutet: Zu viele Wiederholungen ziehen mitunter einige Stücke von „Sirens“ übertrieben in die Länge. Es fehlen neben dem typischen, wirklich gut dargebotenen Post Rock mutige Impulse, die mit dem klassischen Post-Rock-Schema brechen, auch ein paar Soli an den einzelnen Instrumenten, die gewisse Kontrapunkte setzen. Das hat einen Mangel an überraschenden Moment zur Folge. Gerade hier aber liegt der 'Post-Rock-Hund' begraben, der aus der Vielzahl solcher Musik, die einfallsreiche Einzahl werden lässt, die nicht in der Masse untergeht.

Betrachtet man unter diesem Aspekt das Cover noch einmal genauer und erfreut sich an dem beigelegten Poster, dann macht dieses Wahren der musikalischen Tradition mit einer stärkeren Prise Düsternis wiederum Sinn. Denn die 'Comic'-Bilder und die Musik fusionieren miteinander, halten im Rhythmus den 'roten Faden' und die konzeptionelle Geschichte am Laufen. Und auch die Schwierigkeiten, das Album im Zeitalter von Corona und Isolation aufzunehmen, hinterlassen eben ihre Spuren. Spuren, die man auf „Sirens – Limitiertes rotes Vinyl“ hören und sehen kann. In diesem Falle gelang GLASGOW COMA SCALE dann eben doch ein Post-Rock-Album auf der Höhe seiner Zeit – eine Zeit voller Tiefen und Ängsten und Eintönigkeit. In diesem Sinne: Gut so!

FAZIT: Das Album „Sirens – Limitiertes rotes Vinyl“ des Frankfurter Post-Rock-Trios GLASGOW COMA SCALE endet mit dem melodramatischen, erstmals sogar mit Gesang dargebotenen „One Must Fall“, geht aber im Gegensatz zu diesem sich recht bombastisch erhebenden Stück zu keiner Minute unter, sondern spiegelt stimmungsmäßig und konzeptionell den Post Rock zu Zeiten von Corona wider, wobei auch das im Stil eines Comics gestaltete Cover in Verbindung mit der Musik einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.11.2021

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (22:38):
  2. Orion (7:50)
  3. Magik (6:41)
  4. Underskin (8:07)
  5. <b>Seite B</b> (22:18):
  6. Sirens (6:20)
  7. Day 366 (9:10)
  8. One Must Fall (6:48)

Besetzung

  • Bass

    Marek Kowalski

  • Gitarre

    Piotr Kowalski

  • Schlagzeug

    Lala Adamowicz

Sonstiges

  • Label

    Tonzonen Records

  • Spieldauer

    44:56

  • Erscheinungsdatum

    17.09.2021

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