Längst haben GLASS HAMMER ihre YES-Attitüde abgelegt und die Zeiten, in denen man Angst haben musste, dass diese amerikanische Band zu einem YES-Klon verkommt, sind spätestens seit ihrem <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2016/Glass-Hammer/Valkyrie/" target="_blank" rel="nofollow">2016er-Album „Valkyrie“</a> vorbei. Gerade aber durch ihren deutlich massiveren Tasten-Einsatz kommen einem nunmehr ELP statt YES in den Sinn. Viele wird das freuen, doch GLASS HAMMER sind auch auf „Skallagrim: Into The Beach“ wiederum stilistisch so breit aufgestellt, dass alle, denen progressive Rockmusik – auch die der härteren Gangart – am Herzen liegt, viel Freude an diesem Album haben, das es auf eine fette Laufzeit von über 70 Minuten bringt und dabei nicht eine Minute langweilt, selbst wenn nicht immer alles rund läuft.
Bereits das Cover sowie die comic-artige Gestaltung des 16-seitigen Booklets verweisen überdeutlich auf <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Glass-Hammer/Dreaming-City/" target="_blank" rel="nofollow">den konzeptionellen Vorgänger „Dreaming City“</a> und textlich wie musikalisch kehren GLASS HAMMER tatsächlich nach „Dreaming City“ zurück. Vermischen Prog-Metallisches mit Retro-Prog und Krautrockigem sowie elektronisch verkopften, experimentell anmutenden Spielereien. Ganz schnell werden hierbei ganz sicher die Freunde von EMERSON, LAKE & PALMER sowie DREAM THEATER und SPOCK'S BEARD warm.
Darum gilt auch der von Steve Babb bereits für „Dreaming City“ betonte Ansatz, dass ihr Album als eine Hommage an verschiedene Genres wie Space Rock, Berlin-School-Electronica, 70er-Jahre-Metal und den frühen Progressive Rock verstanden werden sollte, uneingeschränkt auch für diese Fortsetzung „Skallagrim: Into The Beach“.
Babb betont gleich am Anfang des Booklets weiterhin, dass sich auch die konzeptionelle Geschichte auf den Vorgänger bezieht und man ihr aktuelles Album unbedingt als die Fortsetzung von „Dreaming City“ verstehen möchte, so gesehen „Part 2“. Darum zieht Skallagrim, der ritterliche Held der Geschichte, der dem Siegfried aus der Nibelungen-Saga sehr ähnelt, erst in den Krieg und dann in die Traumstadt ein, um mit Schild und Schwert seine verlorene Liebe wiederzufinden. Okay, damit werden dann auch die letzten progressiven Klischees betont.
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Aber es gibt auch Neues zu vermelden, denn wie es scheint, geht die Suche nach neuen Sängern weiter und mit Hannah Pryor wurde eine ganz neue Sängerin gefunden, die eine Susie Bogdanowicz komplett ablöst. Die Band selber ist absolut von ihr überzeugt. Ob es auch alle GLASS HAMMER-Fans sein werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird das Album mit dem ruhigen Pryor-Gesang eröffnet, so als würde man erst einmal antesten müssen, wie die neue junge Stimme ankommt.
Dann aber brettern dunkle Metal-Eruptionen los, die man in dieser Härte eigentlich von GLASS HAMMER seltener erwartet, welche aber immer wieder in fetten Prog-Bombast mit SPOCK'S BEARD-Schlagseite übergehen, wofür „Sellsword“ ein besonders gutes Beispiel ist.
Offensichtlich ist auch immer wieder der ELP-Einfluss, wie beispielsweise auf „The Dark“, der fast durchgängig in den 70 Album-Minuten öfters mal nur durchschimmert oder auch laut durchschlägt.
Am Ende ebnen außerdem eine Vielzahl elektronischer Effekte ebenfalls Skallagrims Weg, um den unerschrockenen Schwertkämpfer zu seinem großen Finale zu führen.
Das Album am Ende aber ganz billig auszublenden, ist nicht gerade eine Meisterleistung, sondern ein Griff ins Musik-Klo, denn wenn ich eine lange Geschichte erzähle oder ein Buch schreibe, dann breche ich doch nicht abrupt mitten auf der letzten Seite ab. Leider passiert das aber auf „Skallagrim: Into The Beach“.
FAZIT: Mit „Skallagrim: Into The Beach“ kehren GLASS HAMMER rundum – also musikalisch, konzeptionell und gestalterisch – nach „Dreaming City“ zurück, wobei sie zwar sich und ihrem ELP-DT-SB-Prog-Bombast, aber nicht mehr ihrer 'alten' Sängerin, treu bleiben und mit Hannah Pryor auf eine junge, noch gänzlich unbekannte Vokalistin setzen. Das sorgt zwar nicht für frischen Wind, aber immerhin für eine weitere, durchaus angenehme GLASS HAMMER-Härte, die auch durch das jugendliche Feuer ihrer Sängerin neu angefacht wird.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.11.2021
Steve Babb
Hannah Pryor, Fred Schendel
Fred Schendel, Steve Babb, Reese Boyd, Brian Brewer
Fred Schendel, Steve Babb
Aaron Raulston
Arion Records/Just For Kicks
70:18
22.10.2021