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Helge Schneider: Die Reaktion - The Last Jazz Vol. II

Stil: Jazz

Cover: Helge Schneider: Die Reaktion - The Last Jazz Vol. II

34 Jahre nach seinem Studio-Einstand "The Last Jazz" lässt "der einzige und nur" Helge Schneider einen Nachfolger auf die bundesdeutsche Menschheit los und zeigt sich darauf ungebrochen bescheuert im positiven Sinn. Vor allem aber erinnert "The Last Jazz Vol.II" so deutlich wie kaum ein anderes Werk des Multi-Instrumentalisten und Kabarettisten während der letzten Jahre, wo er sein musikalisches Herz verloren hat. Tipp beim Raten: Die Antwort steht im Titel …

Logisch, Schneider pendelte abseits seines Klamauks seit je zwischen den klassischen Spielarten Swing, Blues und Bebop hin und her. Diesen Weg verfolgt er auf "Die Reaktion" so konsequent wie lange nicht Doch Heiterkeit steht trotzdem nach wie vor hoch im Kurs.

Nach dem klimpernden Intro ´Das alte Klavier´ ist ´Der Pabst´ ähnlich wie später die erste Single ´Mann ohne Gesicht´ ein Akustikgitarren-Blues mit rauem Gesang über die Prominenz des "Pabstes" (!). Die Mitternachtsjazzer ´Astral Houdini´ und ´Bluebird Flying In The Sky´ warten mit klagender Miles-Davis-Trompete bzw. Coltrane-Saxofon und darum auch latentem Frühsechziger-Flair auf, wohingegen ´Mord ist ihr Hobby (das singende Pferd)´ Legato-Klavier mit Geheul und Pfeifen zur Diskussion stellt.

´Großstadtgemecker´ bietet Combo-Jazz mit hervorstechender Rhythmusgruppe und stolpert genau sechs Minuten lang virtuos vor sich hin, das Titelstück mit leicht übersteuerter E-Gitarre und Piano-Kontrapunkt wirkt nachgerade expressionistisch. Dann wären da noch sich selbst erklärende Tracks wie ´Railroadblues´ und ´Gurkenblues´, letzterer eben mit Ratschgurke respektive Güiro, die auch im per Schifferklavier nach Paris befördernden ´Les Baguettes´ wieder auftaucht.

´Spinett (am Strand)´ ist (jawohl, mit Spinett) eher eine Vokalimprovisation, aus der sich logischerweise Schneider-typischer Nonsens ergibt, ´Mondscheinelise´ zitiert natürlich die ´Mondscheinsonate´ und ´Für Elise´, bloß mit einem hustenden und würgenden Helge, wohingegen Fats Navarros ´The Tadd Walk´ mit feisten Unisono-Bläsern und der Standard ´I'm Beginning To See The Light´ von Duke Ellington, Johnny Hodges sowie Harry James recht ernst in Szene gesetzt wurden. Die musikalischen Inhalte von ´Helge Schneider spielt verschollene Werke von Bach und Händel´ sowie ´Variationen auf Händels verschollene Aufzeichnungen aus Halle an der Saale´ lassen sich anhand der Titel erahnen.

´Interstellare Begegnung´ geht als ziemlich freier - tatsächlich - Cosmic Jazz durch, und iit ´Nordic Walking (Hörspiel)´, einem Wiederhören mit Helges Alter Ego Klaus, findet der Reigen ein vorhersehbar albernes Ende.

FAZIT: Schließt sich 2021 ein Kreis für Helge Schneider, wo er nun auf mehreren Ebenen auf sein Debütalbum anspielt? Im Grunde nicht, denn auch wenn stilistisch anachronistisch verquerer Jazz an der Tagesordnung steht wie damals, weckt das Unikum nicht den Eindruck, in allzu naher Zukunft in den Ruhestand zu treten. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/71250a57dc1e440b940ca7704e1d0ef1" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.07.2021

Tracklist

  1. Das alte Klavier
  2. Der Pabst
  3. Astral Houdini
  4. Mord ist ihr Hobby (das singende Pferd)
  5. Großstadtgemecker
  6. Railroadblues
  7. Mann ohne Gesicht
  8. Die Reaktion
  9. Gurkenblues
  10. Bluebird Flying In The Sky
  11. Spinett (am Strand)
  12. Mondscheinelise
  13. Interstellare Begegnung
  14. I'm Beginning To See The Light
  15. The Tadd Walk
  16. Les Baguettes
  17. Straight & Hyde
  18. Silver Hammond Dreams
  19. Helge Schneider spielt verschollene Werke von Bach und Händel
  20. Variationen auf Händels verschollene Aufzeichnungen aus Halle an der Saale
  21. Nordic Walking (Hörspiel)
  22. Der Stummfilm

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Railroad Tracks

  • Spieldauer

    60:33

  • Erscheinungsdatum

    16.07.2021

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