Alle Welt, zumindest die musikalische der Spät-Sechziger und Früh-Siebziger müsste begeistert aufstöhnen, wenn sie, ohne Wenn und Aber dieses britische WENN hören, zumindest wenn sie Bands wie FLOCK, CHICAGO, COLOSSEUM sowie BLOOD, SWEAT & TEARS oder JETHRO TULL und astreinen Jazz-Rock lieben. Viele 'Wenn' im vorangegangenen Satz, doch nun kommt das eigentliche WENN: die 1969 in England gegründeten IF sind eigentlich DIE wegweisende britisch Jazz-Rock-Band, welche vielleicht auch (oder gerade) ihres seltsam kurzen und nichtssagenden Bandnamens wegen aus heutiger Sicht nie die Aufmerksamkeit erhielten, die sie sich mit ihrer Musik verdient hätten. Und spätestens nach ihrem dritten Meisterwerk in Folge „If 3“ hätte dieses musikalische IF in aller Munde und Ohren sein müssen!
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/HgGgXbWXgY4" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Doch völlig egal! Repertoire Records gebührt riesiger Dank dafür, dass sie nach <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2017/If/If-1970--180g-remastered-Vinyl/" target="_blank" rel="nofollow">„If 1“</a> und <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2017/If/If-2-1970--180g-remastered-Vinyl/" target="_blank" rel="nofollow">„If 2“</a> nun auch „If 3“ auf fettem 180g-Vinyl, sorgfältig remastert und im Original-Gatefold-Cover verpackt, erneut veröffentlichen.
Schon der dynamische Einstieg in das Album mit „Fibonacci's Number“, zugleich mit knapp 8 Minuten Laufzeit auch der längste Titel von „If 3“, bei dem man in den ersten Sekunden glaubt, sich in ein ELP-Album verirrt zu haben, lässt nicht nur aufhorchen, sondern beeindruckt rundum als druckvolles, jazz-rockiges, funkiges Instrumental-Monster, das Maßstäbe setzt und noch dazu etwas verwundert, da noch nicht einmal ein Sänger zum Einsatz kommt. Dafür gibt's aber ein gigantisches Flöten-Solo, wie es auch ein IAN ANDERSON nicht besser hinbekommen hätte, auf die Ohren.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/18jk2oRkyPc" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Auf der LP-B-Seite findet man mit „Upstairs“ ein weiteres Instrumentalstück, genauso druckvoll, doch dieses Mal voller waghalsiger Saxofon-Einsätze.
Alle weiteren Titel auf „If 3“ leben dann natürlich auch von J.W. Hodkinsons rau-einprägsamen Gesang und weisen oft verstärkt, neben Jazz-Rockigem auch eine Hinwendung zum Blues und sogar mehrere Balladen-Momente („Sweet January“ und „Seldom Seen Man“ sowie das bluesige, an TRAFFIC erinnernde „Here Comes Mr. Time“) auf, allerdings ohne jemals irgendeiner schmalzigen Grundstimmung anheimzufallen.
Denn immer schweben jazzige Strukturen, auch der verträumten und ruhigen Art, sowie ausgiebige Soli über den Songs. Gerade diese Hinwendung zu den weniger komplexen und entspannteren Klängen lässt „If 3“ zum insgesamt eingängigsten Album der viel, viel, viel zu kurzen IF-Historie werden, die dann 1972 mit dem bereits letzten Studio-Album „If 4/Waterfall“ endet.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/7TAe-7ywCQI" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Zuvor allerdings brachten IF auf ihrem dritten Album gleich noch mit „Forgotten Roads“ ihre hit-verdächtigste Nummer unter, die sich funkig austobt, aber auch in ihren knapp viereinhalb Minuten nicht auf ein flottes Gitarren-Solo verzichtet, das in eine fette Bläser-Sektion übergeht. Eigentlich ein Pflicht-Song für alle funkigen Best-Of-Sampler der Frühsiebziger.
Eigentlich…
Doch stattdessen kündigte sich hier bereits das Ende dieser großartigen Band an.
Allerdings begann mit dem Ende von IF zugleich der große Moment des riesigen Erfolgs für den IF-Schlagzeuger Dennis Elliot, der 1976 mit ehemaligen Mitgliedern von KING CRIMSON und SPOOKY TOOTH die Megaseller-Band FOREIGNER gründete. Alles Weitere ist (zumindest aus seiner Sicht) eine Erfolgsgeschichte, die ohne dieses großartige WENN, dafür jedoch mit dem pop-rockigen Foreigner-ABER weiterging.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/2Hejk6KyYpk" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
FAZIT: Die 1969 gegründete britische Jazz-Rock-Funk-Band IF bewies auch auf ihrem dritten Album „If 3“ im Jahr 1971 welch unglaubliches Potenzial sie besaßen, wenn sie klassischen Jazz-Rock mit strammen Bläsersätzen 'funk-dynamisierten', dass es selbst Bands wie CHICAGO oder COLOSSEUM schwindelig werden konnte. Ähnlich sieht das wohl auch Repertoire Records, die mit dieser remasterten Neuveröffentlichung „If 3“ wieder zu Vinyl-Ehren verhelfen und dem einem halben Jahrhundert alten Album einen bestechend klaren, voluminösen Stereo-Sound verpassen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.04.2021
Jim Richardson
J.W. Hodkinson
Terry Smith
John Mealing
Dennis Elliot
Dick Morrissey, Dave Quincy (Saxofone, Flöten)
Repertoire Records
39:22
26.02.2021