Nicht dass Joe Bonamassa in jüngerer Zeit zimperlich auf Studioalben zu Werke gegangen wäre, aber sein neues könnte durchaus das satteste seiner bisherigen Karriere sein, was heavy Gitarren angeht … und glaubt man dem Mainstream-Blues-Verjünger, handelt es sich bei "Time Clocks" um seinen letzten Longplayer bis auf weiteres.
Er fühle sich ausgebrannt, heißt es seit einigen Wochen in der Presse, und diese Erkenntnis mag Bonamassa während der Aufnahmen gekommen sein, denn dafür kehrte er, der heute im Laurel Canyon an der Westküste der USA lebt, nach New York City zurück, wo seine Laufbahn in vielerlei Hinsicht ihren Anfang nahm. Eine Konstante hat er allerdings dorthin mitgenommen - Produzent Kevin Shirley, der auch wieder beim Songwriting mitwirkte.
Nicht zu vergessen Bonamassas unfehlbaren "Puls", Schlagzeuger Anton Fig neben einer Riege renommierter Studiomusiker und drei Backgroundsängerinnen. Unter diesen Voraussetzungen knallt die Scheibe hart rockend im Geist der Eighties und spiegelt bezüglich ihrer Atmosphäre wider, dass der Künstler während der Entstehungszeit nicht nur wegen seiner Erschöpfung eine kleine Existenzkrise mitmachte.
Der Opener ´Notches´ poltert ungefähr so feudal, als würden Led Zeppelin auf einem roten Teppich spielen, ´The Heart That Never Waits´ erweist sich als relativ herkömmlicher Gospel, und die Epen der Scheibe - das Titelstück mit orgeligen Country-Anleihen und der Anmutung von Bon-Jovi-Balladen sowie das mit orchestraler Unterfütterung dahinschreitende ´Curtain Call´ - hieven das Repertoire auf ein höheres Niveau, wo sich Bonamassa in Zukunft wahrscheinlich alles erlauben kann.
Auch das teils folkige ´The Loyal Kind´ und das schummrig perkussive ´Questions and Answers´ wecken den Eindruck, hier habe jemand den Spaß seines Lebens, obwohl sich ebendieser Jemand ja angeblich einen Auszeit gönnen möchte …
FAZIT: Zeugt Joe Bonamassas derzeitige Unbekümmertheit im Umgang mit Stilen und Klangfarben davon, dass er über seine eigene Entscheidung erleichtert ist, eine Pause einzulegen? Ungeachtet dessen ist "Time Clocks" ein Ausnahmealbum in seinem an Höhepunkt reichen Backkatalog und legt die Messlatte für jede Rockband hoch an, die ansatzweise so überlebensgroß auftreten möchte. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/5bc2e9c6fae94bb8a156463d895a8b36" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.10.2021
Steve Mackey
Joe Bonamassa, Mahalia Barnes, Juanita Tippins, Prinnie Stevens
Joe Bonamassa
Lachy Doley
Anton Fig
Bunna Lawrie (Didgeridoo), Bobby Summerfield (Percussion)
Mascot / Rough Trade
56:50
29.10.2021