Wer das Schaffen des Russen Anton Belov nicht erst seit gestern verfolgt, weiß um dessen Eigensinn, und insofern verwundert es nun, dass KAUANs neues Album über ein international operierendes Label erscheint … das obendrein in Kanada ansässig ist. Nun denn, kalt kann es auch dort werden, und im Zeichen des Winters (aber nicht nur) steht auch "Ice Fleet", das neue Album des Projekts.
Der Bandleader versteht die Platte als in sich zusammenhängendes Werk, das sich am besten in seiner Gesamtheit erfassen lässt; die einzel anwählbaren Titel dienen folglich bloß der Untergliederung verschiedener Abschnitte und haben einen praktischen Wert für Hörer, die gerne mal einen Part skippen - was in diesem Fall schade wäre denn:
"Ice Fleet" kommt daher wie aus dem vielzitierten einen Guss, was auch insofern Sinn ergibt, als es sich um die vertonte Nacherzählung einer wahren Begebenheit handelt. Das musikalische Narrativ dreht sich um den mysteriösen Fund im sowjetischen Eis verschollener Schiffe während der 1930er Jahre und führt KAUAN ein Stück weit zu ihren metallischen Wurzeln zurück. Die eher leichtfüßigen rockigen Avancen der beiden vorangegangenen Alben werden zugunsten zum Thema passender Gitarren-Schwere unterlassen, wobei wieder die von früher vertraute Doom-Atmosphäre aufkommt.
In diesem Rahmen spannen die beteiligten Musiker ein quasi-sinfonisches Panorama auf, das zwischen glazialem Post Metal und entrückten Momenten Shoegaze-artiger Anmutung pendelt. Die heiseren Vocals aus KAUANs Anfangsphase sind ebenfalls wieder präsenter (die Gruppe verwendet seit je finnische Texte) und setzen in ihrer abgehackten Schroffheit einen starken Kontrast zum warmen Klangambiente von "lce Fleet".
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Der Titeltrack veranschaulicht in kompakter Form, wo Belov und Co. derzeit stehen, wohingegen das vorab ausgekoppelte 'Raivo' ("Zorn") die härtesten Ausschläge verzeichnet und als dramatischer Höhepunkt der Geschichte durchgeht. Dass die beiden darauffolgenden Tracks ein bisschen zu doll säuseln, dürfte wohl ihm Sinne des Erzählten sein, nimmt der Scheibe aber einen Teil ihrer potenziellen Intensität.
"Ice Fleet" wird übrigens von einem ausführlichen Libretto und einem von der Gruppe selbst entwickelten Tabletop-Rollenspiel begleitet; damit nimmt es tatsächlich eher eine Ausnahmestellung im gegenwärtigen Rock- und Metal-Betrieb ein als auf rein musikalischer Ebene.
FAZIT: Lehrbuchmäßig eingefädelter und inszenierter Post Metal von Skandinaviern in falschen Körpern, falls man es so sagen möchte - KAUAN machen mit ihrem achten Album keine Anstalten, etwas zu innovieren, aber auch nichts falsch, wenn es ums Einhalten und Perfektionieren stilistischer Konventionen geht: Zudem verdienen sie für die Story, die der Platte zugrunde liegt und die einen unleugbaren Mehrwert garantiert, zusätzliche Aufmerksamkeit. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/7c7550a5a5644b7ebd99a7c1c9950805" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.03.2021
Anton Belov, Alexander Borovykh
Anton Belov, Alexander Borovykh
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Anton Belov, Alexander Borovykh
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Anton Belov, Alexander Borovykh
Artoffact / Membran
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09.04.2021