„The Last Viking“ erschien ursprünglich 2020 und kommt nun in einer beträchtlich erweiterten Version heraus, die für LEAVES´ EYES unerlässlich sein dürfte, selbst wenn sie das Album bereits besitzen. Geboten werden nichts weniger als drei CDs und eine DVD, praktisch ein Rundumschlag in Sachen Symphonic Metal auf geschichtlichem Fundament.
Die vertonte Story um Norwegens König Harald III (Hardråde: „Der Harte“) im englischen Schicksalsjahr 1066 anhand historischer Fakten könnte nun kaum "plastischer" nacherzählt werden. Das opulente Kernwerk, das neben der traditionellen Rockbesetzung auch Hörner, Percussion, Nyckelharpa, Fiddle und Chorstimmen zu Gehör bringt, wurde um die Stücke der 2019er EP "Black Butterfly" erweitert, die neue Versionen von ´Night Of The Ravens´, ´Serkland´ und ´Black Butterfly´ enthielt und vergriffen ist. Das ganze Album noch einmal in rein instrumentaler Form eignet sich indes für Sound-Fetischisten und angehende Producer, die sich von den diesbezüglichen Kompetenzen der Macher überzeugen möchten.
Bei „Viking Spirits“ handelt es sich um eine in Eigenregie gedrehte Dokumentation, welche die Wikinger-Reenactment-Szene unter die Lupe nimmt, wo sich die Band selbst gerne tummelt. Das Ding ist abendfüll (über 100 Minuten Laufzeit) und um ein Bonuskapitel expandiert worden, Untertitel sind obligatorisch, den Soundtrack gibt´s ebenfalls "on top".
An den Qualitäten des eigentlichen Albums hat sich natürlich nichts geändert: "The Last Viking" bietet Symphonic Metal epischen Ausmaßes, der das "Beauty and the Beast"-Schema (Sopranstimme versus Growls) zwar nicht komplett meidet, aber relativ frisch aufbereitet wirkt. Nach dem pompösen Intro ´Death of a King´ spielen LEAVES´ EYES ihre vertrauten Trümpfe schon während ´Chain Of The Golden Horn komplett aus (´For Victory´ reißt auf der gleichen Schiene später noch kräftiger mit), indem sie folkloristische Melodien, den besagten Wechselgesang und geschmackvoll unter die Metal-Gitarren gehobene Orchester-Arrangements so kombinieren, dass man als Rezipientrasch einen Ohrwurm davonträgt.
´Dark Love Empress´ ist etwas langsamer getaktet, aber nicht weniger eingängig, wenngleich ´Black Butterfly´ mit Clémentine Delauney von Visions of Atlantis am zweiten Mikro bei ähnlicher Ausrichtung noch fesselnder daherkommt. Im weiteren Verlauf besticht das Album durch detailverliebte Kompositionen, deren nicht immer konventioneller Aufbau (´Flames in the Sky´ hat phasenweise echt was von einem Filmscore) für die Songwriting-Fähigkeiten des federführenden Duos (Atrocitys Alex Krull und Thorsten Bauer) spricht.
Mit dem zehnminütigen Titelstück am Ende setzen sich LEAVES´ EYES selbst ein Denkmal; der klasssische Longtrack, eine musikalische Kurzgeschichte sozusagen - muss bis auf weiteres als künstlerische Sternstunde der Band gelten.
FAZIT: LEAVES´ EYES werden einmal mehr ihrem Anspruch gerecht, mit jeder Veröffentlichung ein audiovisuelles Gesamtwerk einzureichen. Davon abgesehen sind die Sympho-MetallerInnen artverwandten Konsorten wie Serenity - Nightwish spielen ja in einer komplett anderen Liga - weiterhin um mindestens einen Schritt voraus, wobei "The Last Viking" in der "Midsummer Edition" hinsichtlich seines erschlagenden Umfang in keiner Weise als Geldschneiderei angesehen werden kann. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/15012b290b284085a42c681c0a1c2fa2" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.09.2021
Thorsten Bauer
Elina Siirala, Alexander Krull
Thorsten Bauer, Micki Richter
Joris Nijenhuis
AFM / Soulfood
156:33
17.09.2021