LÉONIE PERNET gehört zu einer neuen Generation französischer Künstlerinnen, die aus den Clubs von Paris heraus ihr musikalisches Selbstverständnis mit Mitteln der elektronischen Musik neu definieren und sich von traditionellen Chanson-Vorstellungen bewusst fernhalten. Ihr erstes Album „Crave“ war noch eine in düsteren Klangwolken gehüllte Manifestation des Sehnens – nach einer musikalischen Identität vielleicht, nach ihrer Position im Leben, nach sich selbst?
Das nun vorliegende zweite Werk, das frei übersetzt „Zirkus des Trostes“ heißt, zeigt sie musikalisch lebhafter, selbstbewusster und erfinderischer, was unter anderem auch daran liegen mag, dass sie sich auf die Suche nach ihren eigenen Wurzeln begab und dabei im Niger – der Heimat ihres Vaters – fündig wurde. Zwar hat das weniger einen Einfluss auf ihre Texte, in denen es um zuweilen eskapistische Utopien (oder auch Dystopien), wie zum Beispiel die Vorstellung, es könne Männer regnen („Il pleut hommes“), geht.
Musikalisch hingegen nutzt LÉONIE PERNET die sich darbietenden Möglichkeiten ihrer verschiedenen kulturellen Welten und führt Club- und Techno-Elemente mit Afrobeat-Einlagen, New Wave-Pop-Gitarren, Dreampop-Flair, und gar kammermusikalisch anmutenden Neo-Klassik-Passagen zusammen. So gelingt es ihr, trotz einer grundsätzlich moll-lastigen, düsteren Grundhaltung, am Ende einen tatsächlich eher positiv gestimmten, zumindest aber tröstlichen Gesamteindruck zu hinterlassen, was wiederum beweist, mit wie viel Bedacht der Titel des Albums gewählt wurde.
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FAZIT: Festlegen möchte sich LÉONIE PERNET nicht so gerne. So singt sie – je nach Stimmung – mal Englisch, mal Französisch, mal nonverbal oder gar nicht (indem sie rein instrumental bleibt oder vokale Bestandteile digitalisiert). Grundsätzlich vertraut LÉONIE dabei auf elektronische Hilfsmittel, greift aber genauso gerne auf orientalische Perkussion zurück oder lässt organische Samples und psychedelische Gitarrensoli einfließen. Dass sie sich dabei nicht auf ein existierendes Genre verlassen möchte, sondern stattdessen eine ganz eigene, teilweise regelrecht innovative musikalische Ästhetik entwickelt, verwundert dann kaum noch.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2021
Léonie Pernet
Léonie Pernet
Léonie Pernet
Léonie Pernet
Léonie Pernet
Infiné
36:52
12.11.2021