In Bezug auf ihre Vorreiterrolle in Sachen Indie-Pop litt LIZ PHAIR nach der Veröffentlichung ihres monumentalen Debüt-Werkes „Exile In Guyville“ 1993 ja schon ein wenig unter dem Orson-Welles-Effekt, denn zumindest in Sachen Indie-Credibilty konnte sie nie wieder zu ihrem „Citizen Kane“ aufschließen. Vielleicht liegt darin auch die sich anschließende, nicht eben geradlinige, immer wieder von langen Pausen unterbrochene, aber auch von gelegentlichen kommerziellen Erfolgen gekennzeichnete Laufbahn der heute in Kalifornien lebenden Songwriterin aus Chicago begründet.
Zwischen ihrem letzten Album „Funstyle“, welches sie 2010 in Eigenregie veröffentlichte und dem nun vorliegenden neuen Werk „Soberish“ liegt mehr als eine Dekade. Dass LIZ nun wieder neue Songs herausbringt, hat zwei Gründe: 2019 veröffentlichte LIZ ihr erstes Buch „Horror Stories“, in dem sie ihre in fiktiven Kurzgeschichten verpackten Memoiren präsentierte und des weiteren veröffentlichte ihr erstes Label Matador nicht nur erneut ihr Debüt-Album, sondern auch die vorhergehende, bislang nicht erhältliche, legendäre Demo-Sammlung „Girly Sound“, die zum einen das Interesse der Fans – insbesondere auch der nachgewachsenen Generation junger Songwriterinnen, die Liz bis heute als Vorbild verehren – neu entfachte und zum anderen Liz' Wunsch anregte, noch einmal mit ihrem Partner von damals, dem Produzenten BRAD WOOD zusammenarbeiten zu wollen, was sie dann für „Soberish“ auch tat.
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Die Grundidee war dann die, die neuen Songs auf das Wesentliche herunterzubrechen und eher Dinge abzuziehen, als etwa hinzuzufügen – und damit in gewisser Weise wieder an die Ästhetik der Anfangstagen anzuknüpfen – freilich ohne das zwischenzeitlich Erarbeitete und Erfahrene zu verleugnen. Und so beschränkten sich Liz und Brad, die alle Instrumente denn auch selbst einspielten, darauf, den Songs ein jeweils möglichst geradliniges musikalisches Mäntelchen anzuziehen und die Aufmerksamkeit so auf Liz autobiographisch ausgerichtete, konfessionelle Geschichten zu lenken.
Das heißt wiederum nicht, dass dabei Liz' Phase mit den Mainstream-Hits und Grammy-Nominierungen vollkommen in den Hintergrund träte. Nur dass dieses Mal die Songs und die Inhalte und nicht der Sound oder die Arrangements im Zentrum standen. Potentielle Hits wie „Hey Lou“, den Titeltrack „Soberish“ oder „Spanish Doors“ fallen dabei jedenfalls nach wie vor haufenweise ab.
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FAZIT: Mit „I Try To Be Original – Done Plenty More Wrong Than I Ever Did Right – Still I'm Not A Criminal“ bringt es LIZ PHAIR in dem Song „Good Side“ treffend auf den Punkt. Eigentlich sind die Themen, die sie auf ihrem neuen Album „Soberish“ anspricht, immer noch dieselben wie 1993, als sie mit „Exile In Guyville“ den Grundstein für all das legte, was heutzutage junge Songwriterinnen für sich reklamieren. LIZ PHAIR spricht mit bemerkenswerter Offenheit alles an, was sie selbst auch umtreibt und trieb – Selbstzweifel, sexuelle Selbstbestimmung, Drogen (inklusive Alkohol), Verlustängste, toxische Beziehungen und Empowerment in jeder Form. Der Unterschied zu früher ist der, dass Liz heutzutage weiß, was wohl als nächstes passieren wird und demzufolge ihre Schlussfolgerungen ziehen kann, wie z.B.: „Dosage Is Everything – It Hurts Or It Helps“. Und das gilt auch für die Musik, die heutzutage auch ohne Glamour und große Gesten auskommt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.06.2021
Brad Wood
Liz Phair
Liz Phair, Brad Wood
Brad Wood
Chrysalis
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04.06.2021