Es gibt Alben, die sind für die Ewigkeit und sollten deshalb nicht nur auf einem digitalen Silberling ihr Dasein fristen, sondern auch auf zwei schwarzen Rillen, beidseitig in Vinyl gefräst. Das vor genau 15 Jahren erstmals nur auf CD erschienene „Antidepressant“ von LLOYD COLE ist so eins.
Ein Album, das 18 Monate bedurfte, um in seiner ganzen akustischen Schönheit zu glänzen, mal auf zarter Akustik aufbauend, dann klassisch mit Streichern daherkommend oder im Singer/Songwriter-Bereich die unterschiedlichsten Gefühlswelten ausbreitend. Die Akustik überwiegt und nur im Album-Opener „The Young Idealists“ hinterlässt kurz eine E-Gitarre ihre elektro-akustische Duftmarke.
Erinnerungen an die „Year Of The Cat“-Zeiten eines AL STEWART kommen dabei auf, wozu auch die klangvolle Cole-Stimme einen nicht unwesentlichen Anteil beiträgt.
Oh ja, aus diesem Blickwinkel wird „Antidepressant“ ein Meisterwerk im umfangreichen Alben-Katalog des 1961 in Buxton, Derbyshire, geborenen Musikers, der vom Pop bis härteren Rock, Folk und Country, Elektronisches sowie Singer/Songwriter für fast alle Musik-Genre aufgeschlossen ist.
Das Antidepressivum-Album setzt genau dort an, wo ein weiteres Cole-Album-Highlight und zugleich Vorgänger von „Antidepressant“ endete: „Music In A Foreign Language“. Wieder klingt viel Melancholie durch die Songs, aber auch Schwung und Optimismus (Kein Wunder bei diesem Albumtitel!), der sich sogar mit leichten Country-Anleihen, wie in „Travelling Light“, Luft macht und dann schnell wieder zu fast hymnisch anmutenden Singer/Songwriter-Klängen zurückkehrt. Und dass LLOYD COLE nicht erst seit „Antidepressant“ als großer Texter gilt, der diesmal sogar einen ungewohnten Hang zu hintergründigem Humor aufbringt, ist sicher längst kein Geheimnis mehr.
Mit „Rolodex Incident“ findet die LP ihren grandiosen Abschluss, der mit einem umfangreichen Instrumentalteil beginnt und dann LLOYD COLE mit einer vokalen Glanzleistung präsentiert, welche einem dauerhaft im Ohr hängen bleibt.
Die klangtechnische Umsetzung des 2006er-Albums für Vinyl setzen „Antidepressant“ noch dazu ein fettes Sound-Sahnehäubchen auf, wozu Cole feststellt, dass für die LP eine Extra-Abmischung von den digitalen Aufnahmen erfolgte, da keine analogen vorhanden waren. Schließlich hatte der Brite größtenteils fast alle Instrumente allein im Studio eingespielt und die ein oder andere Klangfläche (inklusive des Drummings) aus der Dose kriechen lassen.
Als ganz spezielles Vinyl-Bonus liegt der LP im Gatefold-Cover eine einseitig bespielte Single mit dem gleichen Cover-Motiv der LP-Hülle bei, die mit dem einzigen vorhandenen Outtake dieser Zeit, „Coattails“, einen besinnlichen, traurigen Song enthält. So verzichtete man dann auch darauf, die Single-B-Seite mit einem im Grunde nicht dazugehörigen Song (aus anderen Studio-Zeiten) zu bespielen, sondern ließ diese einfach frei.
FAZIT: Endlich auch auf Vinyl! „Antidepressant“ von LLOYD COLE ist bereits 15 Jahre alt, klingt aber musikalisch und tatsächlich auch textlich im Zeitalter des depressiven Corona-Blues noch immer top-aktuell. Der britische Songwriter mit einem Hang zur Melancholie beschwört auf seinem 2006er-Album einen bedrückenden Zeitgeist herauf, der sich auch nach der Veröffentlichung der Vinyl-Variante seines Albums (plus dazugehöriger, einseitig bespielter 7“-Single) mit fast bedrohlicher Intensität auch im Jahr 2021 fortsetzt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.03.2021
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