"Sieben auf einen Streich" - ein naheliegender Schenkelklopfer, was die jüngste Veröffentlichung von LORDI angeht. Nachdem die Finnen ihr letztes Album "Killection" als fiktive Best-of einer fiktiven Seventies-Kapelle verstanden, reichen sie jetzt mal eben sieben (!) vermeintliche Backkatalog-Titel jener nicht existierenden Combo ein.
Dieses Konzept liest sich so aberwitzig, wie die Umsetzung Hand und Fuß hat. Wer bislang noch an der kreativen Substanz von Obermonster Mr. Lordi und Co. zweifelte, sieht sich nun endgültig eines Besseren belehrt, denn die auf "Lordiversity" gebotene Songwriting-Qualität ist nichts weniger als sagenhaft, wenn man bedenkt, dass hier 78 Tracks zur Diskussion stehen.
Und die scheinbar aus dem Hand geschüttelten LPs, die in ihrer Gesamtheit die frühe Diskografie der Gruppe ausmachen sollen, unterscheiden sich in der Tat alle voneinander. "Skeletric Dinosaur" bietet anachronistschen Glam Rock à la Alice Cooper in jungen Jahren (´Day Off Of The Devil´, das treibende ´Phantom Lady´), der von Klavier, Orgel und nur natürlich verzerrten Gitarren geprägt wird.
Das Material von "Superflytrap" klingt dann ungefähr so, als ob sich ABBA in eine Synthwave-Retro-Disco verirrt hätten, wo den 1980ern gehuldigt wird (obwohl das vorangegangene Jahrzehnt LORDIs Steckenpferd ist), komplett mit weiblichem Background-Chorgesang, Streicher-Arrangements und synthetischen Grooves, wobei ´City Of The Broken Hearted´ und das schmierige ´Gonna Do It´ als Ohrwürmer hervorstechen.
Auf "The Masterbeast" regiert indessen Artrock im weitesten Sinne, der im zwölfminütigen Prog-Epos (jawohl!) gipfelt, ehe "Abusement Park", falls man LORDI generell als Tribut an Vincent Damon Furnier versteht, die Cooper-Ära "Hey Stoopid!" abdeckt. "Humanimals" markiert dann eine weitere Zuspitzung des Band-eigenen Entwurfs von Pop-Metal mit Horror-Konzept, die Gewinner sind hier ´Heart Of A Lian´ als freche Kopie von Van Halens Mega-Hit ´Jump´ und das treibende ´Girls In A Suitcase´.
Bleiben noch das teils sogar in Thrash-Gefilde vorstoßende "Abracadaver", auf dem mit dem schwerfällig in Metallicas "Black Album"-Fußstapfen wandelnden ´Beast of Both Worlds´ und dem Kinnhaken ´Devilium´ zwei der stärksten LORDI-Kompositionen ever stehen, sowie "Spooky Sextravaganza Spectacular", das aus dem Jahr 1995 stammen soll und derb in die Industrial-Kerbe haut. Ministry und Marilyn Manson lassen grüßen, und zwar mit dem Breitenpotenzial des Letztgenannten.
FAZIT: Eine absolute Ausnahmeerscheinung in der jüngeren Musikgeschichte und ein unverrückbares Zeugnis der kompositorischen Genialität von Mr. Lordi - Mehr Rock in nahezu all seinen Facetten bekommt man derzeit nicht in gebündelter Form… LORDIs "Lordiversity" zwingt zum Hören und Hören und Hören, bis man sich - vielleicht am Sanktnimmerleinstag? - sämtliche fast 80 Stücke einverleibt hat. <img src="http://vg07.met.vgwort.de/na/b87c8cac08ef48f888f4561d55dfd143" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.11.2021
Mr. Hiisi
Mr. Lordi
Mr. Amen
Ms. Hella
Mr. Mana
AFM / Soulfood
284:31
26.11.2021