Exakt 30 Jahre nach seinem ersten Namen unter dem Soulmates-Banner veröffentlicht Leslie Mandoki mit "Utopia for Realists: Hungarian Pictures" eine Album-Blu-ray-Kombination, die sich gewaschen hat. Der Videopart enthält die Aufzeichnung eines episodisch in Szene gesetzten Konzerts zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und ein "Behind the Scenes"-Feature, die Audio-Komponente bietet indes die originalen Studioaufnahmen der namengebenden Prog-Rock-Suite.
Mandoki arbeitet hier mit etlichen Stars, darunter Ian Anderson (Jethro Tull), John Helliwell und Jesse Siebenberg (Supertramp), Nick van Eede (Cutting Crew), Chris Thompson (Manfred Mann’s Earth Band), Bobby Kimball (Toto) und David Clayton Thomas (Blood Sweat & Tears), nicht zu vergessen mittlerweile Verstorbene Ikonen wie Jack Bruce (Cream) oder Jon Lord von Deep Purple. Letzterer ist nicht auf dem Album zu hören, sondern arbeitete gemeinsam mit ELP-Mitglied Greg Lake schon vor Jahren an der Umsetzung.
Die sage und schreibe 27 Minuten von ´Transylvanian Dances´ stehen logischerweise im Zentrum, aber die Viertelstunde ´Return To Budapest´ (hier kommen sich Okzident und Orient sehr nahe) ist genauso wichtig wie die übrigen (kompakteren) Nummern. Der Longtrack im Kern geizt nicht mit halsbrecherischen Unisono-Passagen beziehunsgweise gegenläufigen Melodielinien, deren Kolorit man jeweils verschiedenen Kulturkreisen zuweisen könnte, so wie es Béla Bartók als ausgewiesener Musikethnologe tat, dessen Kompositionen Pate für die Suite standen.
´Sessions In The Village´ gestaltet sich impressionistisch tänzelnd mit Klavier und weiblicher Stimme, bleibt lange Zeit quirlig instrumental mit dominanten Holzbläsern und heavy bedrohlichem Finale. Nach dem kurzen Zwischenspiel ´Utopia For Realists´ überrascht das Ensemble in Form von ´You'll Find Me In Your Mirror´ mit nicht einmal dreieinhalb Minuten Singer-Songwritertum, und ´Barbaro´ ist scheinbar kopnträr dazu satter Hardrock mit eleganten Saxofon-Leads, hämmernden Drums sowie einem Orgelsolo. Bleibt noch die abschließende Ballade ´The Torch´ zum sich Wiegen und in den Armen Liegen.
Eingewoben in das Mammutwerk ist nicht zuletzt die persönliche Geschichte des Bandleaders als Asyl suchender Flüchtling in Deutschland, womit er dieser Tage zufälligerweise ein brandaktuelles Thema anspricht - unaufdringlich wohlgemerkt, denn rein instrumental ist "Hungarian Pictures" viel zu allgemeingültig gehalten und lässt zu mannigfaltige emotionale Regungen zu, als dass man daran zwingend irgendeinen Inhalt koppeln müsste.
´FAZIT: Eine tiefgehende Mischung aus Jazz, Rock und Pop mit einem Hauch von Weltmusik sowie nicht zu unterschätzendem Filmsoundtrack-Flair - Leslie Mandoki gibt mit "Utopia For Realists: Hungarian Pictures" einen selten tiefen Einblick in sein Privatleben und liefert scheinbar beiläufig eine opulente Progressive-"Sinfonie" ab, die es nach den goldenen Siebzigern nur noch selten von solcher Qualität gegeben hat. ELPs und Yes´ Klassiker lassen in jedem Fall grüßen… <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/ad46a1b19d6f4ae3b7269bd50277961e" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.09.2021
Jack Bruce, Steve Bailey, Richard Bona
Bobby Kimball, Richard Bona , Julia Mandoki, David Clayton-Thomas, Nick Van Eede, Leslie Mandoki, Chris Thompson Ian Anderson, Jack Bruce, Tony Carey, Jesse Siebenberg
Nick Van Eede, Al Di Meola, Mike Stern
Cory Henry, Tony Carey, Jesse Siebenberg
Leslie Mandoki
Ian Anderson (Flöte), Randy Brecker (Trompete, Flügelhorn), Bill Evans (Saxofon), John Helliwell (Klarinette, Saxofon), Till Brönner (Trompete)
Inside Out / Sony
64:03
24.09.2021