Da hast du das ganze Pandemie-Geschwurbel bis obenhin, verstehst die Welt nicht mehr – und dann springt dich wie aus dem Nichts ein Musik-Projekt an, das die globale Seuche irgendwie relativiert und das ganze aktuelle Elend für eine ganze Weile locker an die Wand spielt.
„5 Senses“ heißt es und ist das hörenswerte Resultat einer beeindruckenden Idee des Schweizer Schlagzeugers MARTIN KISSLING (Kaffeehausorchester, Boris Pilleri’s Jammin‘).
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Am Anfang waren nur dessen Drums, die den Ablauf der fünf Songs mit einem Gerüst aus Taktart, Tempo, Rhythmus und Groove vorgaben.
Darauf übernahmen die Gitarristen, die völlig frei Akkorde und Licks über das Grundgerüst legten, und im nächsten Schritt waren – auch sie ohne jegliche Vorgaben – die Pianisten und Bassisten an der Reihe.
Schließlich gingen diese fertigen Instrumentals an Sängerinnen und Sänger, die in einem letzten Schritt Texte und Melodien beisteuerten.
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Insgesamt haben so neunzehn Schweizer Musikschaffende schrittweise und gemeinsam – und doch ohne je zusammen in einem Raum musiziert zu haben – fünf Songs unterschiedlichster Prägung geschaffen und KISSLINGs faszinierende Idee verwirklicht.
„5 Senses“ ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich die EP in ihrer Stil-Vielfalt kaum einordnen lässt und so in kommerzieller Hinsicht wohl wenig hergibt.
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„Pull On It“ sorgt für einen fulminanten und leidenschaftlichen Auftakt, in dem eine unerbittliche Rhythmusabteilung die Sängerin Madeleine Rascher (alias Miss Maddiecation) zur Hochform auflaufen lässt – schade jedenfalls, dass dieser Song nicht mal drei Minuten lang ist...
Auch die Ballade „Your Dreams Made You Blind“ und das funkige „Listen“ leben primär von den Stimmen der Sängerinnen Raya Sarontino, respektive Seraina Telli. Daneben sind die Instrumentalparts durchweg sehr solide und unaufdringlich.
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Für die beiden letzten Songs hätte man sich etwas prägnantere, kantigere und weniger sentimentale Stimmen als die von Nuel und Yannick Schmidt (Black Mount Rise) vorstellen können.
Der Kontrast zwischen Metal Riffs und sphärischem Gesang mag ein probates Mittel sein, Spannung aufzubauen – killen sollte er sie nicht („Silver Rain (Acrimonius)“).
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FAZIT: „Step By Step-Project“ nannte MARTIN KISSLING seine Idee, und Schritt für Schritt, respektive Schicht für Schicht, ist daraus die EP „5 Senses“ mit fünf Songs unterschiedlichster Prägung entstanden. Sie sind hörenswertes Beispiel für das europäische Musikschaffen, das in der Pandemie trotz aller Schwierigkeiten da und dort prächtige Blüten treibt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.11.2021
Splendor Music
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19.11.2021