Zurück

Reviews

NOFX: Single Album

Stil: Punk

Cover: NOFX: Single Album

Weit weg vom pubertären (Fäkal-)Humor der unbekümmerten 1990er gehen NOFX steil auf die 40 zu, und man hört´s ihrem neuen Album offengestanden an. Was sich schon auf dem fünf Jahre zurückliegenden Vorgänger "First Ditch Effort" abzeichnete, setzt sich auf "Single Album" (der Titel spielt darauf an, dass es zunächst als Doppeldecker geplant war) in nach wie vor leidlich gehobener Qualität fort.

Schon die Kollaboration des Quartetts mit der englischen Legende Frank Turner hatte etwas von betagten Musikern, die in Würde zu altern suchen. Die jüngsten NOFX-Kompositionen strahlen eine dementsprechende Umsicht aus, obgleich sich Frontmann und Label-Chef Fat Mike seinen Wortwitz bewahrt hat. Dieser macht auch dann das buchstäbliche Salz in der Suppe aus, wenn´s mal am Songwriting hapert.

Diesbezüglich zu nennen: ausgerechnet der erst nach gut drei Minuten lediglich halbwegs aus den Puschen kommende Opener. 'The Big Drag' ist nichts weniger als eine eigenartig bedächtige Überraschung mit leise im Hintergrund hämmerndem Piano-Akkord (?) und wiederholt sich später auf ähnliche Weise im mit Country-Slide-Gitarre kriechenden 'Doors and Fours', das ebenso wenig zu den stärksten Momenten des Vierers gehört.

Hübsche Leads und kurze wie zweckmäßige Solos bleiben uns hingegen dankenswerterweise ebenso erhalten wie die für Alternative Rock allgemein typisch angerauten Vocals (die Kurt Cobain wohl zeitlos gemacht hat …) Vocals des Frontmanns, der sich in der Video-Auskopplung 'Fuck Euphemism' (mit einprägsamem Hauruck-Hook eine sinnvolle Wahl zur Promo) zu seiner Homosexualität bekennt und eine Lanze für die nicht über jeden Zweifel erhabene LGBT- respektive Transgender-Bewegung bricht.

<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/gI_8HiWXVc4" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>

Der altbewährte Skatecore von 'I Love You More Than I Hate Me', 'My Bro Cancervive Cancer' und 'Birmingham' mit flott aus dem Handgelenk geschüttelten Power Chords und jeweils unfehlbarem Singalong-Refrain geht NOFX immer noch am besten von der Hand. Die subtil melancholische Note nimmt man dieser Tage irgendwie als auffälliger wahr, obwohl sie den charakteristischen Sound des nordamerkanischen Melo-Punk generell auszeichnet.

Was noch? Die Ska- bzw. Reggae-Gurke 'Fish in a Gun Barrel' inklusive Saxofon und weiblichem Gesang ist völlig verzichtbar, dito 'Your Last Resort', eine wegen Mikes im Modus des nachdenklichen Liedermachers schlichtweg nicht berauschender Stimme recht gruselige Klavierballade zum Schluss.

FAZIT: Schuster, bleib bei deinen Leisten? Fest steht, dass die neue NOFX durch ihren kompositorischen Abwechslungsreichtum im Vergleich zu früheren Platten der Amis an Dynamik gewonnen hat, doch ein Klassiker ist der Gruppe hiermit nicht gelungen. Lyrics, die glaubwürdigen Ernst und schlichtweg eine dem Alter der Musiker angemessene Reife ausstrahlen, sind 2021 der stärkste Posten einer Band, die lange nach Erreichen ihres Zenits eine gewisse Würde wahrt, aber in diesem Leben nichts Maßgebliches mehr auf ihrem Feld leisten wird. Klingt hart? Ist so. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/ba94a17b22af43d08833bf56599540c1" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 7/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2021

Tracklist

  1. The Big Drag
  2. I Love You More Than I Hate Me
  3. Fuck Euphemism
  4. Fish in a Gun Barrel
  5. Birmingham
  6. Linewleum
  7. My Bro Cancervive Cancer
  8. Grieve Soto
  9. Doors and Fours
  10. Your Last Resort

Besetzung

  • Bass

    Fat Mike

  • Gesang

    Fat Mike

  • Gitarre

    Eric Melvin, El Hefe

  • Schlagzeug

    Smelly

Sonstiges

  • Label

    Fat Wreck / Edel

  • Spieldauer

    36:23

  • Erscheinungsdatum

    26.02.2021

© Musikreviews.de