<b>„Omer Klein gehört zu einer kleinen Schar von Meisterpianisten.“</b> (Süddeutsche Zeitung)
OMER KLEIN ist ein ganz Großer…
Entschuldigung, aber dieses Wortspiel musste einfach sein, zumindest wenn man die Leistungen des gebürtigen israelischen, erst in New York und nun in Deutschland lebenden Jazz-Pianisten und Komponisten zu beschreiben versucht, der die Welten der Schwarz-Weißen-Tasten so weit auslotet, dass die 'New York Times' diese bereits als „grenzenlos“ bezeichnete und das New Yorker 'Time Out Magazine' davon spricht, dass Klein die „Mainstream-Jazz-Konzepte in die Zukunft swingt“.
Das tut er nunmehr bereits acht Alben lang, wobei sein neustes „Personel Belongings“ erneut ein Volltreffer ist, auch weil er sich nicht nur auf sein solistisches Können als Pianist verlässt, sondern mit dem Bassisten Haggai Cohen-Milo und dem Schlagzeuger Amir Bresler zwei Musiker in das Album einbindet und „Personal Belongings“ so zu einem swingenden Jazz-Album von ruhigen bis dynamischen Klangwanderungen, mitten durch die Pandemie, werden lässt, welches den Hörer sofort gefangen nimmt. Im Gegensatz dazu verzichtet er diesmal auf Synthesizer und zusätzliche Percussion, welche noch auf dem Vorgänger „Radio Mediteran“ (2019) zum Einsatz kamen.
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Schon der Titel „Personal Belongings“ verrät, dass dies wohl sein persönlichstes Album ist. Auch die einzelnen Titel verweisen darauf.
In „The Flower And The Seed“ geht es um seine drei tobenden Kinder und in „Quarantined With You“ um das Zusammenleben mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Viola Probitschka, zu Covid-Zeiten.
Auch die Entscheidung, als einzige Cover-Version „What A Wonderful World“ auf das Album zu nehmen und es gleichermaßen damit abzuschließen, hatte sehr persönliche Gründe, denn als vor zwei Jahren Kleins Söhne geboren wurden, spielte dieses Lied eine wichtige Rolle für ihn. Nicht nur weil die Geburt der eigenen Kinder mit das Schönste ist, was einem in seinem Leben widerfahren kann, sondern auch der bewegende Text, der genau dieses Gefühl zum Ausdruck bringt („Ich höre die Babys schreien, beobachte, wie sie wachsen und weiß, eines Tages werden sie mehr wissen als ich je erfahren konnte“.) inspirierte ihn. Natürlich ist Kleins Variante ohne Text, obwohl man beim Hören den Eindruck gewinnt, als würde das Klavier die Singstimme übernehmen.
OMER KLEIN ist noch dazu ein echter musikalischer Weltenbummler, der als Echo-Award-Gewinner bei großen Festivals genauso auftritt wie in großen Konzertsälen, aber auch kleinen Clubs: dem North Sea Jazz Festival, dem Nice Jazz Festival, der Londoner Queen Elizabeth Hall, der Swing Hall Tokyo, der Elbphilharmonie, dem Wiener Konzerthaus, der Alten Oper Frankfurt – um nur einige zu nennen.
Unüberhörbar in seiner Musik sind auch die israelischen Wurzeln, welche den Kompositionen und seinem Spiel echte Wärme verleihen. Es sind nicht fest strukturierte Noten-Partituren, die hier zu erklingen scheinen, sondern seine Gefühle, mit Hilfe des Klaviers und/oder seines Trios in Musik umgesetzt. Auch tritt er aus diesem Grunde öfters in seiner Geburtsheimat, z.B. dem Tel Aviv Jazz Festival, auf oder arbeitet eng mit israelischen Musikern zusammen.
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So klingt „Personal Belongings“ wie eine Reise durch unterschiedliche Kulturen und zugleich nach dem entspannenden Schutz in den eigenen vier Wänden, in denen man mit geliebten Menschen seine Zeit der virusverseuchten Gefangenschaft verbringt. Gezwungen durch die Pandemie und die damit unverhofft freie Zeit, konnte sich Klein viel Zeit für seine Kompositionen lassen. Zeit, die ihm plötzlich nicht mehr fehlte, dafür aber eine Vielzahl von Auftritten. So machte Klein das Beste aus dieser Situation und komponierte ausgiebig, was man diesem komplexen Album auch anhört, das eben nicht nur vom Piano, sondern auch Bass und Schlagzeug lebt – und eine gehörige Portion die Welt umarmenden Swing in sich trägt. Und umso mehr die Welt stillzustehen schien, umso umfangreicher, dynamischer und emotionaler wurden seine Kompositionen.
Allerdings beschränkt OMER KLEIN sich bei insgesamt sechs Stücken ausschließlich auf sein Klavierspiel. Manchmal wünscht man sich dann doch schon seine beiden Mitstreiter mit dazu, gerade weil man durch die Album-Opener „Kavana“ und „Baghdad Blues“ triomäßig mit einer lebendigen Kombination aus nahöstlichen und improvisatorischen Sounds richtiggehend angeheizt wurde.
„The Magnets“ endet pastoral, nachdem es mit südamerikanischer Romantik begann und „Sun Girl“ ist eine weitere Liebeserklärung an seine Partnerin. „Shake It“ bekommt ein paar Funky-Shuffle-Elemente verpasst und wendet den jazzigen Strukturen den Rücken zu. Somit wird das mit fast sieben Minuten längste Stück des Albums zugleich auch zum eingängigsten.
Und wenn wir schon vom eingängigsten Titel sprechen, dann sollte auch der ungewöhnlichste nicht verschwiegen werden: „Najara“ bedient sich verschiedener literarischer Inspirationsquellen. Der mysteriöse Name bezieht sich auf einen jüdisch-liturgischen Dichter, der ausgiebig sogenannte Sehnsuchtspoesie verfasste. Das wirkte dermaßen intensiv auf Klein, dass er aus den Dichter-Worten eben Kompositions-Noten werden ließ und sehr gefühlvolle Motive in das Stück integrierte, das sich so zum Highlight des Albums – zumindest der Solo-Klavier-Titel – entwickelt.
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FAZIT: Mit „Personal Belongings“ präsentiert der gebürtige israelische Pianist OMER KLEIN, der in Frankfurt am Main lebt, anhand von sechs Solo- und vier Trio-Stücken (Bass, Schlagzeug, Piano) sein persönlichstes, von Pandemie-Zeiten geprägtes Werk, das geschickt Jazz bis hin zu Klassik und Melodiös-Eingängigem mit erkennbar israelischer Prägung in sich vereint. Der 1982 in Israel geborene und seit seinem 13. Lebensjahr intensiv Klavier spielende, aber auch komponierende und improvisierende Pianist ist ein absoluter Meister seines Fachs, was dieses meisterhafte, abwechslungsreiche und ungeheuer emotionale Album beweist.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.10.2021
Haggai Cohen-Milo
Omer Klein
Amir Bresler
Warner Music
46:16
03.09.2021