<b>„In Mexiko erscheint der Tod als fester und sehr präsenter Teil des Lebens. Das ist aber keineswegs der Ausdruck einer fatalistischen Weltsicht; das Gegenteil ist der Fall: Die unbekümmert farbenfrohe und fröhliche Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit, dem Dualismus von Tod und Leben, ist für die Mexikaner Ansporn, umso intensiver und erfüllter zu leben.“</b> (Pangea-Ultima-Gitarrist José Diaz de León)
So weltmusikalisch auch der Bandname und das Album klingen mögen, PANGEA ULTIMA kommen aus Köln, aber sie wandeln in „Camino A Mictlán“ durch die stilistische Vielfalt weltmusikalischer Klangräume, in denen sie die buntesten Türen aufstoßen und alle offenohrigen Freigeister auf eine Reise zu den Schönheiten oft unbekannter und ungewohnter Klänge zwischen weltmusikalischem Latino-Jazz, lateinamerikanisch-afrikanischem Ethno, verschiedene Traditionals und einer zarten Prise eingängiger Tanz-Rhythmen bis hin zum Pop einladen.
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Nicht ohne Grund hat sich die Kölner Band unter Federführung ihres <a href="https://www.josediazdeleon.de/" target="_blank" rel="nofollow">deutsch-mexikanischen Gitarristen José Diaz de León</a> in ihrem Bandnamen auf den Superkontinent bezogen, der sich angeblich innerhalb der nächsten 'schlappen' 250.000.000 Jahre durch den Kontinentaldrift bilden soll. Ein schönes Gefühl, wenn die kulturübergreifende und -verbindende Musik solcher Entwicklung schon vorgreift. Oder um es mit den Worten von José Diaz de León auszudrücken: „In meinen Kompositionen verarbeite ich authentisches Material, welches ich während meiner umfangreichen musikalischen Reisen in Afrika, Indien sowie Nord- und Südamerika gesammelt habe.“
Ganz speziell, intensiv und tiefgründig dürfen wir uns auf „Camino A Mictlán“ in die aztekische Unterwelt begeben, die wir nicht beschwören brauchen, die uns aber umso mehr überrascht, manchmal auch etwas Angst macht, denn auf unserem musikalischen Weg entlang der Straße nach Mictlán machen wir als Höhepunkt auch einen Abstecher ins mexikanische Totenreich.
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Unsere Reise – Ist das nicht wunderbar gerade in Zeiten von Covid19 und querdenkenden Pandemieleugnern? – erfolgt zwar nicht mit Auto, Bahn, Schiff oder Flugzeug, sondern auf den Schwingen der Musik und die tragen uns in die schönsten Gegenden rund um Mexiko. Von himmlischen Höhen bis hinab ins Totenreich. Der Start ist hierbei „El Floridita“. Und alle, die den alten Mann und das Meer so gut kennen, werden wissen oder erfahren es jetzt mithilfe von PANGEA ULTIMA, dass sich hinter El Floridita die Lieblingsbar von Ernest Hemingway in Havanna verbirgt.
Tief verwurzelt mit der mesoamerikanischen Mythologie folgen wir nun auf unserem klangvollen Weg den neun Stufen – thematisiert in den neun Titeln des Albums – hinab in die aztekische Unterwelt, deren letzte Stufe der Tod symbolisiert.
Noch nie wohl hat der Tod so wundervoll wie in „Mictlán“, dem großen Finale unserer Reise, geklungen, wenn wir sogar mit Sitar und Didegeridoo aus dem Album und dem Leben verabschiedet werden. Ein RAVI SHANKAR, nicht nur der begnadetste Sitar-Spieler der Welt, sondern auch Vater von Norah Jones, scheint uns dabei regelrecht freudvoll zuzulächeln. Und mich beschleicht immer wieder das Gefühl, dass beiden ganz bestimmt auch „Camino A Mictlán“ gefallen würde.
Wenn wir jedenfalls dieses bewegende Stück voller lateinamerikanisch-afrikanischer Rhythmen hören, welche uns das gesamte Album hindurch begleiten, oft dabei sogar ein zärtliches SANTANA- oder GETZ/GILBERTO-Gefühl wecken, dann sollten wir uns auch von unserer mitteleuropäischen Ansicht über den Tod verabschieden, den wir immer nur mit Trauer, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit und Bedrückung in Verbindung bringen.
In Mexiko gilt der Tod als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens, der eben die Endlichkeit ausdrückt und den man deshalb eher feiern als betrauern sollte. Unbekümmert, farbenfroh und vielfältig – ja, beinahe fröhlich – kommt er daher, genauso wie die (Toten-)Maske auf dem Album-Cover. Darum verbreitet auch die Musik auf „Camino A Mictlán“ viel mehr Freude und Optimismus, natürlich auch ein wenig Trauer und Nachdenklichkeit. Eine Einheit der Klänge, so wie auch Leben und Tod oder Diesseits und Jenseits eine Einheit bilden. Dazwischen ist ganz viel, auch ganz viel Musik – und die ist wie auf dem bereits zweiten Album von PANGEA ULTIMA (auch soundtechnisch) ein 'unendlicher' Hochgenuss, bei dem sich sogar als Gast beispielsweise der Fanta-4-Perkussionist Roland Peil schlagkräftig ins Bild setzt.
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FAZIT: In „Camino A Mictlán“ begeben wir uns gemeinsam mit der Kölner World-Jazz-Kapelle PANGEA ULTIMA auf eine intensive lateinamerikanisch-afrikanische Rhythmus-Reise Richtung Mexiko ins Land der Azteken über und unter der Erde. Eine Reise zwischen Leben und Tod, umgesetzt mit Instrumenten aus allen 5 Kontinenten, wie sie schöner kaum klingen kann!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.04.2021
Roman Fuchß
José Diaz de León
José Diaz de León, Joscho Stephan
Norman Peplow
Chris Fehre, Diego Pinera
Flöten, Didgeridoo, Glocken, Sitar, Saxophone und vieles mehr
Lädy Bäm Records
53:10
09.04.2021