Charly Steinhauer als Stehaufmännchen zu bezeichnen grenzt an Understatement, denn man nenne einen Musiker oder überhaupt noch lebenden Menschen, der so viele absolut brutale Schicksalsschläge und körperliche Leiden durchgemacht hat wie der Kopf von Deutschlands ewigen Underdog-Thrashern PARADOX.
Unabängig davon, dass sich der Süddeutsche niemals hat unterkriegen lassen, begeht er dieser Tage das Jubiläum eines Klassikers aus seiner eigenen Feder - von „Heresy“, dem 1990 erschienenen Vorzeige-Album der Band. Ihr zweites Werk lag einem Konzept zugrunde, das der Gitarrist und Sänger nun so fortführt, wie man es von ihm erwartet: mit Stil, aber so was von!
Ideale Voraussetzungen schafft die Tatsache, dass Zweitgitarrist Christian Münzner (Obscura) neben Bassist Olly Keller wieder zur Gruppe gehören, wobei die Rückkehr des "Heresy"-Drummers Alex Blaha, der PARADOX immerhin mitbegründet hat, eine kleine Sensation markiert. Personalien werden aber genauso zu reiner Makulatur wie das (starke) Metal-Church-Cover ´Merciless Onslaught´ am Ende des Hauptprogramms, das textlich einmal von Schreiber Peter Vogt ausformuliert wurde.
Die Musik ist nämlich größtenteils der Hammer, was bei Thrash über 75 Minuten hinweg eine Menge heißen mag. PARADOX bestätigen einmal mehr, dass sie lange Zeit als wägbare Alternative zu Metallicas progressivster Phase galten (selbst James Hetfields Handgelenk dürfte beim Riffing von ´The Visitors´ ins Schwitzen geraten), wobei "Heresy II" zugleich auch einen Querschnitt durch praktisch alle teutonischen Metal-Geschmäcker macht.
So lässt das rasante ´Mountains And Caves´ an Blind Guardian zu "Imaginations…"-Zeiten denken, und auch im komplexen-Midtempo könnte man die Krefelder als Urheber wittern. ´A Meeting Of Minds´ und ´The Great Denial´ sind zwei neunminütige Epen, die von der Disziplin Power-Ballade bis zu halsbrecherischem Tempo alles abdecken, was (amerikanischen) Thrash Metal bis Ende der 1980er unsterblich gemacht hat.
Steinhauer setzt sich indes spätestens mit dieser Scheibe ein ultimatives Denkmal. Das richtiggehend swingende ´Journey Into Fear´ und das fast schwarzmetallisch flirrende ´A Man Of Sorrow´ sind nämlich genauso wie das klopfende ´Burying A Treasure´ Beispiele für kompakte Leistungsschauen mit dem Potenzial, Szene-Klassiker zu werden… und das kann man auch von allen anderen hier nicht konkret genannten Tracks behaupten.
FAZIT: „Heresy II – End of a Legend“ ist ein Ausnahme (Thrash-)Metal-Album, auch über das an guten Genre-Veröffentlichungen guten Jahr 2021 hinaus. Für eine Erfolgskarriere sind PARADOX längst zu alt, aber stellt die Band auf die Bühne, und sie spielt so gut wie jede andere artverwandte nicht gegen, sondern durch die Wand. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/4c807a6a19ec4506be37b5d44b522710" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.09.2021
Olly Keller
Charly Steinhauer
Charly Steinhauer, Christian Münzer
Axel Blaha
AFM / Soulfood
78:49
24.09.2021