Wenn Carlos Santana und Matchbox-20-Sänger Rob Thomas dieser Tage 22 Jahre nach ihrem gemeinsamen Welthit ´Smooth´ vom Album "Supernatural" abermals die Köpfe zusammenstecken, ist das für die Popwelt eine medienwirksame Sensation, doch unabhängig davon fungiert das durchaus ein wenig berechnet anmutende ´Move´, die aktuelle Single des Duos, "lediglich" als Aufhänger eines erwartbar fulminanten neuen Studiowerks der mehrfach mit dem Grammy ausgezeichnete Gitarrenlegende.
Santana vertont auf „Blessings And Miracles“ einmal mehr quasi sein philantropisches Selbstverständnis und eine Religionen überspannende Spiritualität, die der Musik in der Tat noch mehr Seele verleihen, als es schon das Feeling des Maestros beim Zaubern auf seinem Instrument alleine tut. Herausgekommen sind logischerweise etliche Lieder mit hohem musikalischen Anspruch und Massenpotenzial zugleich.
Dazu sind natürlich wie schon auf vorangegangenen Alben viele Prominente zusammengekommen, die nicht bloß dem Schaueffekt dienen, sondern meistens als wesentlich fürs Gelingen der einzelnen Tracks angesehen werden müssen. Was zudem die ebenfalls im Studio operierenden Mitglieder von Santanas Tourband betrifft, kann man ein Stück weit von einem Familienunternehmen sprechen, da neben Schlagzeugerin Cindy Blackman Santana auch Carlos´ Sohnemann und Keyboarder Salvador sowie die singende Tochter Stella mit am Start sind.
Nach einer längeren, packenden Instrumental-Einleitung überrascht der Opener ´Rumbalero´ prompt als halb elektronischer Antreiber mit Mittelost-Flair und Ozomatlis Asdrubal “Asdru” Sierra hinterm Mikro, ehe der relaxte Reggae ´Joy´ (Country-Songwriter Chris Stapleton gibt sich ein Stelldichein) einen Kontrast setzt. Das mit Computerbeats unterfütterte Cover von Procol Harums ´A Wither Shade of Pale´ ist - Steve Winwood als Sänger hin oder her - indiskutabel kitschig.
Ally Brookes besinnliche Vokal-Sternstunde ´Break´ läutet einen kurzen ruhigeren Abschnitt ein, dessen Duktus das hauchzarte ´Breathing Underwater´ und das Instrumental ´Song For Cindy´ gegen Ende wieder aufgreifen. Die außerdem ausgekoppelte Ballade ´She's Fire´ von Komponistin Diane Warren bindet den Rapper G-Eazy relativ harmonisch ein, doch im Grunde bleibt wenig von Santanas ursprünglichem Stil übrig - Geschmackssache und insofern merkwürdig, als der Gitarrist das gesamte Material selbst produziert hat.
Ganz der Alte ist er erst wieder im regelrecht peitschenden ´Peace Power´ mit Living-Colour-Donnerstimme Corey Glover, bevor sich eine völlig unerwartete Kollaboration als absolutes Highlight von "Blessings and Miracles" herausstellt - der Heavy Blues ´America For Sale´ mit Metallicas Kirk Hammett und Death-Angel-Stimme Mark Osegueda. Diesem ebenbürtig sind schlussendlich nur noch der Jam ´Mother Yes´ und der einzige reine Latin-Jazzrocker der Platte - ´All Together´ mit dem ehrwürdigen Ehepaar Chick und Gayle Moran Corea.
FAZIT: Die neue Santana - stilistisch wieder Jazzrock, Pop, Latin, Soul und R´n´B, abgeschmeckt mit einer Messerspitze Folk - ist wie absehbar zu einer zwiespältigen Angelegenheit voller flammender Gitarrensolos und progressiver Songstrukturen, aber auch wie Fremdkörper erscheinener Pop-Hooks und artifizieller Klänge geworden. Letztlich kann man von einer ausgewogenen Mischung aus den jugendlichen Zeitgeist widerspiegelnden und altbewährten Gästen sprechen. Die ersten Ränge der Charts weltweit dürften sich dafür von selbst verstehen - und der ikonische Künstler begeht diesen waghalsigen Spagat nicht erst seit gestern eben deshalb, weil er es kann. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/de3dcf9b340a4240823c6a7b40d67454" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.10.2021
Carlos Santana
BMG
59:45
15.10.2021