Voll auf die Zwölf, abwechslungsreich und leidenschaftlich, dabei vehement Ärsche tretend, eingängig wie groovig, und dennoch fällt die stilistische Einordnung von THE VERY END mit ihrem vierten Album "Zeitgeist" nicht unbedingt leicht.
Massiv thrashig gerät nach atmosphärischem Intro der erste Song "Light The Lows", präsentiert jedoch auch traditionelle Metal-Melodien, wobei alles schön konsequent nach "Abteilung Attacke" klingt. Das folgende "On Parole" verdeutlicht, dass stilistische Begrenzung nicht das Ding des Quintetts aus Essen ist, sondern dass die Band alles aufgreift, was ihr gefällt und sich möglichst massiv tönend verwerten lässt. Björn Gooßes‘ melodiöser Gesang steht dazu nicht im Widerspruch, sondern verleiht der Nummer etwas angenehm Melancholisches. Der Titeltrack knüppelt daraufhin in gemeiner Nackenbrecher-Manier los und dürfte die eine oder andere Kauleiste gen Tischplatte knallen lassen. Lerne: Auf-die-Fresse-Metal mit deutschen Texten muss also nicht zwingend peinlich klingen, sondern kann Aggression mit Spaß an der Freude und vor allem extrem konsequent darbieten. Apropos Konsequenz: Die neuen (?) Songs klingen gut abgehangen und verzichten auf auf überflüssigen Schnickschnack, tönen zudem druckvoll wie dynamisch, verweisen ergo ein Gros des Mainstream Metal auf die Plätze.
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Ob sich "Short Cuts Deep Wounds" der gleichnamigen Rubrik im Legacy-Magazin widmet, bleibt eine flüchtige Frage, doch der Track dürfte vor allem Fans der Band gefallen, in der Björn einst sein Gesangsorgan malträtierte, denn eine gewisse Nähe zu den Night in Gales lässt hier ausmachen. Im direkten Vergleich gehen es THE VERY END zwar vielleicht nicht ganz so "schwedisch" an, jedoch kaum weniger eindringlich. Auch Morgana-Lefay-Fans dürften sich freuen, denn "The Day It Went All Black" klingt wie ein Eisen, das in Bollnäs geschmiedet wurde. Ihr merkt: An Abwechslung mangelt es "Zeitgeist" ebenso wenig wie an klassischen Zutaten und Durchschlagskraft, und die wuchtige Produktion tut ihr Übriges dazu. Szenen-Applaus gibt es für die ungezwungen eingestreuten Gitarrensoli sowie den Gesang in vielen räudigen Schattierungen.
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Dass der Frontmann einmal mehr für das wiedererkennbare Artwork verantwortlich zeichnet, dürfte kaum jemanden überraschen, hoffentlich jedoch die eine oder andere Nachfrage in Interviews provozieren, denn das Motiv des geflügelten Sargs - always different, always the same - wirkt zweifelsohne identitätsstiftend für die Truppe, die sich mit "Zeitgeist" für Schweiß-treibende Live-Shows empfiehlt, und keineswegs für Beerdigungen.
FAZIT: Die Frage, ob THE VERY END mit den "Großen" im Metal mithalten können, darf seit "Zeitgeist" auch anders herum gestellt werden, denn nicht nur Thrash-Veteranen aus dem Pott ziehen mit ihren aktuellen Alben im direkten Vergleich den Kürzeren.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.04.2021
Marc Beste
Björn Gooßes
René Bogdanski, Marc Bräutigam
Jerome Reil
Apostasy Records
49:23
14.05.2021