Ehrlich gesagt konnte es kaum noch schlimmer kommen als mit VOLBEATs letztem Album, das den bisherigen Tiefpunkt in der bewegten Karriere der dänischen Megaseller markierte. Dementsprechend ist angesichts ihrer achten Veröffentlichung bis zu einem gewissen Grad Erleichterung angesagt: "Servant of the Mind" erweist sich als souveräner Breitwand-Kommerz-Rock bis -Metal mit weiterhin erkennbaren Trademarks der Gruppe, bleibt aber trotzdem hinter etwaigen Erwartungen und Hoffnungen zurück, Michael Poulsen und Co. könnten an ihr Debüt und ihre zweite LP anknüpfen.
Dass das gesamte Material innerhalb nur eines Vierteljahrs entstand, hört man nicht unbedingt, denn spontan klingen VOLBEAT schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Stattdessen ist auch ihre aktuelle Musik so perfekt durchgestylt, dass kein Ton zu viel gespielt zu werden scheint, zumindest in den Augen respektive Ohren der breiten Masse, die keine instrumentalen Sperenzchen oder irgendeinen "Anspruch" braucht, sondern mitsingbare Refrains und möglichst simple Songstrukturen.
Die hat "Servant of the Mind" folglich zuhauf, doch die Band schafft es weitgehend ganz gut, auf ihre kalkulierte Weise nicht allzu vorhersehbar zu werden. ´Temple of Ekur´ ist ein verblüffend stimmungsvoller Einstieg mit verspielter Gitarrenarbeit ohne platte Hooks, die man eigentlich erwarten könnte, und hat man über den arg süßlichen Refrain hinweggesehen, ist man bereit für alles weitere, wobei das ausladende ´The Sacred Stones´ in ähnlich düsteren Sphären schwebt und ´Heaven´s Decent´ "gewöhnlichem" Metallica-Metal denkbar nahe kommt.
Was zu jeder Zeit sauer aufstößt, ist weniger Poulsens markante Stimme als die Art, wie sie (abermals) produziert wurde - leblos, synthetisch anmutend und somit auf die Lyrics bezogen unglaubwürdig. Kein Wunder, dass Feierabend-Rocker und Proleten längst die Fanbasis der Gruppe bilden… Wie dem auch sei, das luftig nichtige ´Dagen Før´ passt mit dem ebenfalls glattgebügelten Organ von Sängerin Stine Bramsen bestens ins Bild.
Mit dem abschließenden ´Lasse´s Birgitta´ schließen VOLBEAT den Kreis zum Opener, denn auch hier ist Atmosphäre Trumpf, und man muss sagen: Michael sollte seine klammheimlichen Ambitionen zu etwas ausgefallenerem Songwriting in vollem Umfang ausleben, denn diese Marschroute ist absolut zukunftsfähig. Sollten der Band dabei ein paar Tausend Anhänger abspringen? Geschenkt…
Heavy Metal, Psychobilly, archaischer Rock´n´Roll mit spürbarem Elvis-Presley-Fetisch und Punk (´Wait a Minute My Girl´, was für ein grässliches Generve!) halten sich ansonsten auf "Servant of the Mind" die Waage; die Geister-Paranoia-Single ´Shotgun Blues´ zielt mal wieder zu leicht durchschaubar auf die Hitlisten ab, selbst wenn die Riffs ziemlich heavy sind, und Coverversionen von Wolfbrigade (´Return To None´), The Cramps respektive Roy Orbison (´Domino´), eine Fassung von ´Shotgun Blues´ mit Jungle-Rot-Kopf Dave Matrise am Mikrofon und eine Variante von ´Dagen Før´ ohne Stine Bramsen, bilden den recht umfangreichen Bonusteil der Deluxe-Version.
FAZIT: 2021 ist bei VOLBEAT Konsolidierung angesagt. "Servant of the Mind" gehört nicht zu den schwächsten Alben der im Guten wie im Schlechten mit einem sehr eigenwilligen Sound gesegneten (verfluchten?) Dänen, knüpft aber nicht an frühe Glanztaten an. In den internationalen Longplay-Charts dürfte die Platte trotzdem zu einem Selbstläufer werden. <img src="http://vg07.met.vgwort.de/na/90865878fd18469592cfbfbc19243830" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.11.2021
Kaspar Boye Larsen
Michael Poulsen
Michael Poulsen, Rob Caggiano
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Universal
57:12
03.12.2021