Rückblickend wirken viele der sozio-politisch brisanten Themen, die WHEEL auf ihrem letzten Album (dem Debüt "Moving Backward" von 2019) anschnitten, auf 2020 bezogen erschreckend prophetisch - und was Wunder, dass die britisch-finnische Freundschaft, die zu den erfreulichsten Erscheinungen der zeitgenössischen Progressive Metal-Szene in jüngeren Jahren gehört, auf ihrem neuen Werk praktisch genau dort ansetzt, wo sie zuletzt aufhörte.
Stilistisch hat sich die Band nicht gleich gehäutet, aber doch hörbar weiterentwickelt, auch wenn der latente Tool-Einschlag weiterhin besteht. James Lascelles durchleidet seine Texte auf ähnlich kathartische Weise wie Maynard James Keenan, und der Bass seines Co-Komponisten Aki Virta ist genauso präsent wie jener Justin Chancellors bei den Amerikanern. Davon abgesehen brauen WHEEL jedoch ein eigenständiges Süppchen, wobei insbesondere die schwer beschreibliche, aber markante Melodieführung insbesondere im Gesangsbereich spätetens jetzt ein echtes Markenzeichen darstellt.
"Resident Human" kündtet von der Entfremdung der "modernen" Menschen voneinander. Die Platte ist mit drei Longtracks, um die alles kreist, keine allzu leichte Kost, aber mitnichten schwer zugänglich, weil das gesamte im Trio aufgenommene Material - Zweitgitarrist JC nahm seinen Hut, mittlerweile ersetzt ihn ein gewisser Jussi Turunen - ob auf Kürze oder Länge hin komponiert schlüssigen Spannungsbögen folgt; WHEEL lassen sich zur Entfaltung ihrer Ideen halt manchmal Zeit, ein andermal nicht.
Außer Frage steht dabei stets die liebevolle motivische Arbeit, für die sich das Quartett seit je verbürgt: subtile rhythmische Verschiebungen, hypnotische und nur scheinbar unveränderliche Tonfolgen, deren kaum wahrnehmbare Variation einen emotionalen Sog erzeugt, und unvorhersehbares Aufbrausen machen jeden Track unvergesslich.
Und nach neun Minuten im Opener 'Dissipating' platzt dann der Knoten: Die Band wütet und trauert daraufhin durchaus Alternative Rock-kompatibel über Tribalismus und , Herdenmentalität ('Movement' -Ohrwurm!), Confirmation Bias, Polarisierung, Gender- und Rassenfragen ('Resident Human') sowie natürlich die allgegenwärtigen Fake News ('Ascend').
Darüber hinaus klingt Dan Simmons' Science Fiction-Romanzyklus "Hyperion" an - im gleichnamigen Track, dem geilsten der drei Epen der Platte, aber auch Dichterfürst John Keats, während der Frontmann ebenfalls persönliche Schwierigkeiten (Burnout) verarbeitet. Das macht "Resident Human" endgültig gleichermaßen gesellschaftsrelevant und intim.
FAZIT: Alles, was man sich von WHEEL wünscht - "Resident Human" erfüllt jegliche Erwartung, die man an die Prog-Hoffnungsträger stellte, bietet also lyrischen Sprengstoff, Groove en masse, Zorn und Melancholie sowie nicht zuletzt Hooks, die über die üblichen "15 minutes fame" hinaus nachklingen werden. Get it! <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/2ca08144fc92451599c321250073719f" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.03.2021
Aki Virta
James Lascelles
James Lascelles, Jussi Turunen
Santeri Saksala
OMN Label Services
51:19
26.03.2021