Hier verpflichtet mal wieder die Herkunft… auch wenn sich die gemischtgeschlechtlichen Elektroniker WINGTIPS aus Illinois nicht sklavisch am Chicago-Sound festklammern, sondern ihren eigenen Film drehen und dabei sogar gerne auch mal nach Großbritannien schielen.
Vincent Segretario und Hannah Avalon machen seit 2015 unter diesem Banner Musik, wobei ersterer WINGTIPS von einem allein betriebenen akustischen Testlabor zu einem ausgesprochen massentauglichen Duo konvertiert hat. Ende 2020 läutete man mit einer Coverversion der Savage-Garden-Single ´Tears Of Pearls´ einen stilistischen Wandel zu einem bombastischeren Pop-Sound ein, der sich auf "Cutting Room Floor" in voller Gänze entfaltet.
Das erste Album des Projekts erschien 2019 ("Exposure Therapy") und klang noch nicht so artifiziell wie der nun erscheinende Nachfolger. Aus elektronischem Rock - Gitarren! - ist nun eine knallige Lesart von Synthpop geworden, die eindeutige Bezüge zum Schaffen der Briten Mesh und (natürlich) jüngerer Depeche Mode aufweist.
Dabei hat das natürlich anmutende Konstrukt weder maskuline noch feminine Züge, und dieser für den Stil typische (androgyne) Charakter spiegelt sich im massentauglich pluckernden ´Crystal Clear´ besonders anschaulich wider. WINGTIPS setzen konsequent auf Retro-Klänge (sowohl was die Keyboards anbelangt als auch im puncto Drumcomputer-Samples), haben aber keine plakativen Vintage-Vibes, passen also definitiv in den gegenwärtigen Musikbetrieb.
Highlights gefällig? Das belebende, auf Vincents Stimme hin ausgerichtete ´Repetitive´, das Dream-Pop-kompatible ´Run For Shelter´ mit Hannahs kühl lasziven Vocals und das treibend euphorische ´Cross the Line´ neben dem leichtfüßigen Stampfer ´Shrinking´. Das ruhigere, spät platzierte ´Four Walls´ entpuppt sich als Ohrwurm und rundet die Platte mit dem mit beinahe tropischem Flair ausgestatteten Finale ´Wish U The Best´ gemeinsam ab.
FAZIT: Rückwärtsgewandter, poppiger Electro-Stoff mit zeitlosem Charakter und erhöhtem Hit-Potenzial - selbige können WINGTIPS auf ihrem zweiten Album aber noch nicht komplett ausschöpfen, weshalb es bei einer "nur" leicht überdurchschnittlichen Bewertung bleiben muss. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/c6958601ef634b658afbb84dfba4d0c5" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.09.2021
Vincent Segretario, Hannah Avalon
Vincent Segretario, Hannah Avalon
Vincent Segretario, Hannah Avalon
Artoffact / Membran
37:07
03.09.2021