„The Beach“ - der erste Titel des dritten Albums „Blue Weekend“ der Londoner Alt-Rockband WOLF ALICE – beginnt mit dem abgewandelten Shakespeare-Zitat „When will we Three meet again – in thunder, lightning, in rain“ der drei Hexen aus „Macbeth“.
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Aber natürlich geht es hier nicht um Hexen, sondern um eine Positionsbestimmung. Es ist nur so, dass ELLIE ROSWELL, die Frontfrau und Texterin der Londoner Indie-Rocker WOLF ALICE, einen Weg gefunden hat, in ihrer Sprache Poesie, Philosophie, Politik und Psychedelia auf eine einzigartige, allegorische und an Referenzen reiche Weise zu verquicken. So stellt sie zugleich ein den zunehmend ambitionierter und komplexer strukturierten Kompositionen des Quartetts ein adäquates inhaltliches Netzwerk auf der sprachlichen Ebene entgegen. Logischerweise ist dieses Dickicht aus sehr spezifischen Details, Zitaten, Namen und Anspielungen nicht selbsterklärend: Die Hexen aus dem ersten Track „The Beach“ stellen sich im letzten Song des Albums „The Beach II“ beispielsweise als allegorische Gemeinschaft der Frauen per se heraus, die ELLIE ROSWELL jene Versöhnung und Ausgleich ermöglicht, welche sie alleine zwischen der inhaltlichen Klammer der beiden Songs nicht finden kann.
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Musikalisch widerstehen WOLF ALICE der Versuchung, dem immens erfolgreichen und Mercury-Prize-prämierten Vorgänger-Album „Visions Of A Life“ einfach noch eins draufzusetzen und entwickelten mit Markus Dravs ein betont vielschichtiges, transparentes Sounddesign, das der melancholischen Note vieler Tracks Rechnung trägt. Das heißt nicht, dass WOLF ALICE nicht mehr rocken können, wie z.B. die als zweite Single ausgekoppelte Grunge-Rock-Nummer „Smile“ oder der Punk-Track „Play The Greatest Hits“ eindringlich belegen. Es ist nur eben so, dass WOLF ALICE 2021 deutlich mehr sein möchten, als „nur“ eine der erfolgreichsten Rockbands aus England.
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FAZIT: Satte vier Jahre ließen sich WOLF ALICE Zeit für „Blue Weekend“, den Nachfolger ihres immens erfolgreichen Vorgänger-Albums „Visions Of A Life“. Das hatte allerdings weniger mit der Pandemie zu tun, sondern damit, dass ELLIE ROSWELL erst mal wieder ein paar schlechte Erfahrungen machen musste, über die sie dann schreiben könnte (denn das ist ihr Songwriter-Rezept) – und dann gab es ja noch das Problem, dass „Visions Of A Life“ als Rockscheibe kaum noch zu toppen sein würde. Ergo beschlossen Ellie und die Jungs sich stattdessen neu aufzustellen, und das auf der neuen Scheibe bislang dominierende Rock-Setting vielschichtig aufzufächern, den Fuß vom Gas zu nehmen und stattdessen die Zuflucht in subtilen Zwischentönen und stilistischen Spielereien zu suchen. Das Ergebnis ist nun wahrlich keine bloße Rockscheibe mehr, sondern eine Art musikalisches Spiegelkabinett des facettenreichen WOLF ALICE-Universums geworden.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.06.2021
Theo Ellis
Ellie Roswell
Joff Oddie, Ellie Roswell
Ellie Roswell, Joff Oddie
Joel Amey
Dirty Hit Records
40:40
04.06.2021