Als Konsument und Fan fragt man sich ja schon manchmal, wie Songs überhaupt entstehen bzw. warum der eine funktioniert und der andere nicht. Viele Professionals – insbesondere amerikanische Vertreter ihrer Zunft – glauben ja daran, dass sich das Metier des Liedermachers anhand von Regeln und Parametern erlernen lässt.
Angesichts solcher Meisterwerke wie dem mystischen Debütalbum der Isländerin ÁRNÝ MARGRÉT stellen sich dann aber doch Zweifel ein, ob sich diese Kunst auf handwerkliche Fähigkeiten und Parameter reduzieren lässt – denn hier stimmt einfach alles, ohne dass offensichtliche Regeln und Parameter eine Rolle spielten.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/AU-yH-ZIdfo" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Ein Hinweis darauf, warum die dezidiert puristisch angerichteten Folksongs so stimmig ineinanderzugreifen scheinen, mag daran liegen, dass die Isländerin sich von ihrer isländischen Heimat – bzw. deren Natur und hier insbesondere dem Wetter – inspirieren ließ.
Losgelöst vom heftigen Durcheinander unserer schnelllebigen, lauten, chaotischen Zeiten findet sie mit der Konzentration auf das Wesentliche zu ihrer Mitte und zu ihrem Sinn als Songwriterin. Das heißt nicht, dass die Musikerin sich vom Leben zurückgezogen hat, denn in den Songs besingt sie – auf impulsiv poetische Weise – ihr eigenes Coming Of Age, ihre Erlebnisse auf Reisen, beim Studium und natürlich ihre Beziehungen.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/vqKPnslY4Z4" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Als Metapher verwendet ÁRNÝ dabei Bilder aus der Natur und sagt selbst, dass sie diese – insbesondere das Wetter – sogar zu einem eigenen Charakter in ihren Songs macht. Das führt dazu, dass sich der Hörer dem Flow des Materials hingeben kann, ohne dabei das Gefühl zu haben, sich deswegen als Lauscher an der Tür zu fühlen, obwohl sich ÁRNÝ MARGRÉT dem Hörer sozusagen anvertraut.
Musikalisch lässt sie sich dabei allerdings nicht von der isländischen Folklore, sondern eher von zeitgenössischen Kollegen inspirieren und nennt dabei ANDY SHAUF, BON IVER, PHOEBE BRIDGERS oder LEIF VOLLEBEK (mit dem zusammen sie bereits tourte) als Vorbilder.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/RaCMXM225aI" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
FAZIT: Schon auf ihrer Debüt-EP „Intertwined“ zeigte ÁRNÝ MARGRÉT vor einigen Monaten, dass sie nicht viel braucht, um musikalisch glücklich zu sein. Damals reichte noch eine akustische Gitarre und ihre Stimme, um ihre Inhalte an den Hörer heranzutragen. Und auch wenn sie nun auf ihrem neuen Album „They Only Talk About The Weather“ bei den Songs „Cold Aired Breeze“ und „Tied“ erstmals vorsichtig mit einer Band agiert, hat sich grundsätzlich nichts an der Tatsache geändert, dass für ÁRNÝ MARGRÉT weniger nun halt mal mehr ist und laute Töne Tabu sind. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – gelingt ihr ein perfekter (Folk-)Song nach dem anderen. Warum das so ist, lässt sich allerdings auch in diesem Fall nicht abschließend ergründen – an Regeln oder Parametern kann es indes nicht gelegen haben. Eher schon am Wetter.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.10.2022
Árný Margrét
Árný Margrét
One Little Independent
38:51
14.10.2022