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Asgaard: What If…

Stil: Gothic Rock, Progressive Rock

Cover: Asgaard: What If…

Nach zehn Jahren Stille kehren ASGAARD zurück.
Aber sind sie noch dieselben?
Ja und nein!
Das große Drama hat diese Band noch nie gescheut. Weder in ihren schwarzen Anfangstagen, noch auf dem vorläufig letzten Lebenszeichen „Stairs To Nowhere“.
Dass „What If…“ jetzt wie eine Konsequenz aus seinem direkten Vorgänger und der verinnerlichten, eigenen Geschichte klingt, ist daher kein Wunder. Im Kern sind ASGAARD schließlich immer noch dieselbe Band. Und auch dass dieses Album wieder einen völlig eigenen Charakter besitzt, der mit den Vorgängerwerken kaum vergleichbar ist, verwundert nicht wirklich. Denn erstens sind zehn Jahre eine lange Zeit, in der sich Menschen zwangsläufig weiterentwickeln und zweitens waren ASGAARD noch nie eine Band, die dasselbe Album zweimal veröffentlicht. Daher ist „What If…“ so oder so eine Überraschungspackung und mit den Vorgängern im Ohr sorgt schon der Opener „Sisyphus“ gleich für Staunen. Nicht etwa weil die Musik, oberflächlich betrachtet, nichts mit der Bandvergangenheit zu tun hat, sondern viel eher weil sie sofort und direkt zugänglich ist. So simpel und doch so effektiv haben ASGAARD lange nicht geklungen.

Mit melancholischem Dark-Rock-geht es auch in „Creeping Miss Lunacy“ weiter. Aber schon hier zeigt sich, dass unter der zugänglichen Oberfläche eine komplexe und vielschichtige Bandbreite an Emotionen brodelt. Es sind diese feinen Zwischentöne, die dafür sorgen, dass dieses Album immer drängender, immer eindringlicher wird. Und das obwohl Songs wie „Sny na jawie“ vordergründig regelrecht leicht, beinahe angenehm klingen. Gerade diese Nummer, deren Titel sich mit „Tagträumen“ übersetzen lässt, vereint diese emotionale Spannung bis fast zur Zerrissenheit in sich. Einerseits suggerieren fröhlich anmutende Flöten einen inneren Sonnenaufgang, auf der anderen Seite sorgt Quazarres Gesang dafür, dass der Song dunkler kaum sein könnte und stellenweise regelrecht in Verzweiflung abgleitet.

Diese Gratwanderung zwischen gegensätzlichen Emotionen ist es auch, die „What If…“ zu einem äußerst spannenden und mitreißenden Werk macht. Dabei ist es im Grunde egal, ob die Musik eher in ruhigem, introvertiertem Fahrwasser unterwegs ist oder ob Songs wie „Blind Man’s Buff“ mit drängendem Groove vorpreschen. Der Fokus liegt immer klar auf der Gefühlsebene. Daher ist „What If… auch in erster Linie als Gesamterlebnis zu verstehen. Und obwohl der Titeltrack in sich ein geschlossenes Werk voller emotionaler Hochspannung ist, wird er (wie alle Stücke) erst im Verbund des Albums vollumfänglich fassbar. Es braucht die Opulenz von „W sercu nieswiata“ ebenso wie die andächtige, aber doch dramatische Innenschau des Titeltracks. Denn ohne das Eine wäre das Andere nicht in vollem Maße nachzuvollziehen.

Der Knackpunkt dieses Albums kommt tatsächlich zum Schluss, denn „Not ever again!“ ist ein kurzer, aufreibender Kampf mit den eigenen Dämonen. Dabei mischt sich pumpender Electro mit harten Grooves, zu denen die einzigen Krächz-Gesänge des Albums Seite an Seite mit dem Drama von Quazzares Klarstimme ertönen. In dieser Kombination liegt eine Zerrissenheit, die doch von unbändiger Kraft durchflutet ist. Es wirkt wie die Vertonung einer Schizophrenie, wie der musikgewordene, innere Kampf einer zersplitterten Seele.

Danach wirken die beiden Radioversionen von „Sny na jawie“ und „W sercu nie?wiata“ fast wie eine Erlösung, sorgen dank des polnischen Gesangs aber für einen etwas mystischen Abschluss, an dessen Ende das emotionale Drama anhält, nachhallt und beständig in Kopf und Herz herumspukt.

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FAZIT: „What If…“ ist auf vielen Ebenen beeindruckend. Grundsätzlich begeistert der Umstand, dass ASGAARD nach zehn Jahren mit einem Überraschungspaket von diesem Format wiederkommen. Aber es ist die versteckte, vielseitige und oftmals undurchsichtige Emotionalität, die dieses Comeback wahrlich groß macht. Dass dabei natürlich das Können der Musiker nicht unsichtbar bleibt, sollte klar sein. Dass es ASGAARD aber schaffen würden, den Hörer auf sämtlichen Ebenen zu berühren, ohne in überzogenes Theater abzudriften, war so wohl nicht zu erwarten. Meisterhaft und nur angesichts der suggerierten Erwartungshaltung an einen eventuellen Nachfolger ganz knapp an der Höchstpunktzahl vorbei!

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.03.2022

Tracklist

  1. Sisyphus
  2. Creeping Miss Lunacy
  3. Sny na jawie
  4. Horizon Upside Down
  5. What If...
  6. Blind Man's Buff
  7. W sercu nieswiata
  8. Not ever again!
  9. Sny na jawie (radio cut)
  10. W sercu nie?wiata (radio cut)

Besetzung

  • Bass

    Przemystaw Nowak

  • Gesang

    Quazarre

  • Gitarre

    Hetzer

  • Keys

    Flumen

  • Schlagzeug

    Alvern

  • Sonstiges

    Flumen (Samples, Synths, Drum Programming), Przemystaw Nowak (Samples, Loops, Effects)

Sonstiges

  • Label

    WormHoleDeath Records

  • Spieldauer

    43:21

  • Erscheinungsdatum

    04.03.2022

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