Anlässlich ihres tatsächlich schon 50. Veröffentlichungsjubiläums als eine der ältesten und führenden Bands des Rock Progressivo Italiano (gegründet 1968) veröffentlichen BANCO DEL MUTUO SOCCORSO ein weiteres Konzeptalbum, das sie als ähnlich aufwändig und wichtig verstanden wissen möchten wie ihren klassischen Einstand "Darwin" von 1972.
Die Gruppe vertont praktisch "Orlando furioso" (Deutsch: "Der rasende Roland"), ein Versepos des des italienischen Humanisten Ludovico Ariosto aus dem frühen 16. Jahrhundert, in ihrem ureigenen Stil, was nichts weniger bedeutet als: Das Klavier-Akustikgitarren-Intro ´Proemio´ beruht direkt auf dem Ausgangstext, anschließend tun BANCO das, was sie am besten können - jazzig sinfonischen Progressive Rock spielen, der naturgemäß recht komplex, aber nicht uneingängig ist (höre das täzerische Non Mi Spaventa Più L´amore´ oder das leichtfüßige ´L´isola Felice´). Dabei wird wie auch auf dem 2019er Vorgänger "Transiberiana" ausschließlich die italienische Sprache verwendet.
Hinter Mastermind Vittorio Nocenzi, seinem Sohn Michaelangelo und Texter Paolo Lugli liegen mehrere Jahre Arbeit an "Orlando", was man dem Material anhört. BANCO profitieren unterdessen von ihren jüngeren Mitgliedern Marco Capozi (Bass) und Fabio Moresco (Drums) als knallig aufspielender Rhythmusgruppe, die Nocenzis lyrische Synthesizer-Exkurse erdig untermauert, während Tony D´Alessio.
Das besagte Piano ist allerdings der tragende Klanggeber des Albums und dominiert insbesondere elegische Leisetreter wie ´ Non Credere Alla Luna´, ´Serve Orlando Adesso´ oder ´Le Anime Deserte Del Mondo´. Vollmundige Streicher- und Bläser-Arrangements (´Cadere O Volare´) sowie ein waschechtes Prog-Epos von elf Minuten machen "Orlando" zu einem außerordentlich dynamischem Album.
Apropos ´Moon Suite´: Der Longtrack deckt von mehrstimmigen Vocals à la Queen über halsbrecherische Instrument-Abfahren bis zu nachgerade poppigen Momenten alles ab, was BANCO im Lauf der Jahr auszeichnete; ein besseres Referenzstück hätte die Band zur Feier eines halben Jahrhunderts auf dem Musikmarkt nicht komponieren können. Unabhängig davon lohnt sich eine Beschäftigung mit dem Original-"Orlando furioso" vor dem Hintergrund der Musik.
FAZIT: Für "Orlando" gilt das Gleiche wie zuletzt für "Transiberiana": BANCO ist ihr Alter nicht anzuhören, doch die individuelle Handschrift der stilprägenden RPI-Pioniere bleibt stark ausgeprägt. Als musikalisch wie inhaltlich weit verzweigtes Konzeptwerk gehört das Album indes locker zu den fünf besten überhaupt - - neben "Darwin" zählen dazu subjektiv betrachtet auch "Nudo" von 1997, "Seguendo Le Tracce" (2005) und vielleicht auch "Come In Un'Ultima Cena" (1976) -, die den Namen der Band tragen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/5faef99c4e024bed8ca261b79d3761df" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.09.2022
Marco Capozi
Tony D´Alessio, Vittorio Nocenzi
Filippo Marcheggiani, Nicola Di Già
Vittorio Nocenzi
Fabio Moresco
Inside Out / Sony
76:02
23.09.2022