Das neue BIG BIG TRAIN-Album erscheint lediglich sechs Monate nach dem im Sommer 2021 veröffentlichten Longplayer "Common Ground" und markiert einen tragischen Punkt in der Historie des britischen Musikerkollektivs, da es die allerletzten Aufnahmen mit Sänger David Longdon enthält, Ende des Jahres im Alter von nur 56 Jahren verstarb. Die Aufnahmen waren zu dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen, und in Absprache mit Davids Lebensgefährtin wurde entschieden, "Welcome To The Planet" wie geplant zu veröffentlichen.
Die hohe Schlagzahl, mit der die einmal mehr personell umgestellte Gruppe in jüngerer Zeit neue Musik hervorbringt, führt sie selbst auf die Corona-Pandemie und die währenddessen gewonnene Erkenntnis zurück, dass man im Leben aus den Vollen Schöpfen sollte, statt es zu vergeuden. Aus diesem Grund strahlt das in zwei Teile untergliederte neue Werk auch eine Dringlichkeit aus, die man von BIG BIG TRAIN nicht unbedingt gewohnt ist.
Dennoch bleibt die Combo selbstverständlich bei ihren Leisten: Geboten wird auf "Welcome To The Planet" wieder traditioneller Crossover Prog hörbar englischer Provenienz, der wie eine aktualisierte Version der klassischen Phasen von Yes oder Genesis anmutet. BIG BIG TRAIN haben im Sinne ihrer Haltung, nicht lange fackeln zu wollen, ausgesprochen kompakte Lieder komponiert, die vom ersten Ton an die Atmosphäre lockerer Jams verbreiten.
Falls sich der eröffnende Titel ´Made From Sunshine´ also nicht selbst erklärt, bestätigen jubilierende Bläser, zweistimmiger Gesang und eine freudig tinkernde Orgel die Einschätzung, "Welcome To The Planet" gehöre zu den positivsten Momenten in der Diskografie der Band. Das darauffolgende ´The Connection Plan´ weist einen Vorwärtsdrang auf, den man im weiteren Verlauf ständig spürt, sei es während der Filmsoundtrack-reifen Instrumentalstücke ´A Room With No Ceiling´ und ´Bats in the Belfry´ oder im sachte beginnenden, dann zuversichtlich voranschreitenden ´Lanterna´.
Die "B-Seite" fällt nur geringfügig zurückhaltender aus, nachdem ´Proper Jack Froster´ sie entspannt eingeleitet hat. ´Oak and Stone´ trägt als längster Track (etwas über sieben Minuten) mit dominantem Klavier klassische Züge, und das abschließende Titelstück greift sogar mit bombastischem Chor ins Orchestrale über, und die Fülle an Melodie bleibt durchweg hoch, als wollte die Gruppe ihr Breitenpotenzial nachdrücklich ins allgemeine Bewusstsein rufen.
Ach ja, und während der kurzen Ballade ´Capitoline Venus´ hat man dann in Anbetracht von David Longdons Tod einen Klos im Hals - was so sicherlich nicht beabsichtigt war.
FAZIT: Wenn es in den letzten Minuten von BIG BIG TRAINs neuem Album heißt, "everything is okay", darf man dies angesichts der Güte von "Welcome To The Planet" auf allen Ebenen über die Band selbst sagen, auch wenn sie fortan ohne eines ihrer prägenden Mitglieder auskommen muss - Ruhe in Frieden, David Longdon, und weiter so, BIG BIG TRAIN! <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/e47a696ab33c42fc94a11b42694c46c1" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.01.2022
Gregory Spawton
Nick D’Virgilio, Rikard Sjoblom, David Longdon, Gregory Spawton, Clare Lindley, Carly Bryant
Rikard Sjoblom, David Longdon
Rikard Sjoblom
Nick D’Virgilio
David Longdon (Flöte)
English Electric / RSK
55:25
28.01.2022