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Big Thief: Dragon New Warm Mountain I Believe In You

Stil: Rock

Cover: Big Thief: Dragon New Warm Mountain I Believe In You

BIG THIEF waren vom Ausbruch der Pandemie in besonderer Weise betroffen – nämlich indem es ADRIENNE LENKER und ihren Mannen als einer der letzten Acts gelang, zumindest die Europa-Konzerte ihrer 2020er Tour zu ihren beiden Alben „U.F.O.F.“ und „Big Hands“ noch fast zu Ende spielen zu können, bevor der erste Lockdown Mitte März einsetzte. Die für später geplanten Teile der Tour durch Asien, Australien und die USA mussten hingegen ausfallen, weswegen sich ADRIENNE LENKER und Gitarrist BUCK MEEK im Folgenden erst einmal Solo-Projekten widmeten, bevor überhaupt daran zu denken war, dass sich die Band mit neuem Material beschäftigen konnte.

Es war dann eine Idee des inzwischen auch als Produzenten tätigen Big-Thief-Drummers JAMES KRIVENCHIA, die dazu führte, dass BIG THIEF die Pandemie dazu nutzen konnten, sich musikalisch neu zu positionieren. JAMES hatte nämlich vorgeschlagen, die vier verschiedenen Persönlichkeiten der Musiker insofern in den kreativen Prozess einzubringen, als dass die Aufnahmesessions für den neuesten Batch von Songs, die ADRIENNE LENKER und BUCK MEEK schreiben wollten, in vier verschiedenen Sessions an vier Orten mit vier Tontechnikern stattfinden sollten.

Während sich BIG THIEF somit auf die dynamischen Prozesse innerhalb des Bandgefüges konzentrierten, entstanden auf der musikalischen Seite dabei vier unterschiedliche Arten von Songs, die sich ungefähr wie folgt kategorisieren ließen: Folk-orientierte, akustisch geprägte Tracks etwa im Stile von ADRIENNEs Solo-Bemühungen, Folk-Pop-Songs mit dezidiertem Country-Flair, psychedelisch angereicherte, mit Weltmusik-Anleihen durchsetzte und soundtechnisch experimentell ausgerichtete Tracks und freistilistische, strukturell offenbar aus Jam-Situationen entstandene Rocksongs mit kreativ implementierten Gitarren-Vignetten, wie sie BUCK MEEK gerne auch bei seinen Solo-Arbeiten einsetzt.
Musikalisch ging es dabei weder um Perfektion, noch darum, definitive Songs zu schreiben (schon gar nicht ultimative Rocksongs) oder mit der Brechstange nach innovativen Lösungen zu suchen, sondern darum, im gemeinsamen Miteinander zu neuen Perspektiven und Möglichkeiten für die Zukunft zu gelangen.

Aus insgesamt 45 eingespielten Tracks kristallisierten sich am Ende 20 heraus, welche nun auf dem neuen Doppel-Album ohne formale oder stilistische Rücksichten zu einem letztlich breit gefächerten Potpourri zusammengestellt wurden.
Einige der Tracks (wie z.B. das hypnotisch sich steigernde „Love Love Love“) scheinen dabei aus längeren Jamsessions herausgelöst worden zu sein, während andere eher ihren fragmentarischen Charakter behielten und wieder andere, wie der Country-Shuffle „Red Moon“, sogar bewusst konventionell strukturiert zu sein scheinen.
Songs wie „Spud Infinity“, die bereits von Live-Shows bekannt sind, erhielten so zudem ein neues Gesicht.

Zweifelsohne war es auf diese Weise allen vier Beteiligten möglich, sich in hinreichender Weise einzubringen und dem Projekt kreative Impulse zu geben, die zuvor einfach nicht möglich erschienen. Zudem trugen Gäste wie der Flötist RICHARD HARDY, der Fidel-Spieler MAT DAVIDSON oder der Songwriter SAM EVIAN, der die erste Session als Tontechniker mit seinen technischen Experimenten bereicherte, ebenfalls erfolgreich zur kollektiven Identitätserweiterung bei.

Tatsächlich präsentieren sich BIG THIEF mit diesem Album runderneuert und offen für Dinge, die früher undenkbar schienen.

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FAZIT: „Big Hands“, das letzte BIG THIEF-Studio-Album, litt darunter, dass die Scheibe von dem Jahrhundert-Song „Not“ dominiert wurde, dem die Band ansonsten nichts Vergleichbares entgegenzustellen hatte. Vielleicht war es deswegen keine schlechte Idee von JAMES KRIVENCHIA (der zuletzt auch in eigener Sache, als Produzent und Gelegenheitsmitglied von MEGA BOG , HAPPY YOU und CAUSINGS tätig war) gar nicht erst zu versuchen, mit einem neuen Album an „Big Hands“ anzuschließen, sondern etwas völlig Anderes zu machen. Das Ergebnis kann sich hören lassen, denn die Tatsache, dass sich BIG THIEF in den vier Sessions stilistisch austoben, alles zulassen, was sich anbot, und so viele Instrumente ausprobierten wie noch nie, erwies sich als äußerst effektiv.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.02.2022

Tracklist

  1. Change
  2. Time Escaping
  3. Spud Infinity
  4. Certainty
  5. Dragon Warm Mountain I Believe In You
  6. Sparrow
  7. Little Things
  8. Heavy Bend
  9. Flower Of Blood
  10. Blurred View
  11. Red Moon
  12. Dried Roses
  13. No Reason
  14. Wake Me Up To Drive
  15. Promise Is A Pendulum
  16. 12000 Lines
  17. Simulation Swarm
  18. Love Love Love
  19. The Only Place
  20. Blue Lightning

Besetzung

  • Bass

    Max Oleartchik

  • Gesang

    Adrienne Lenker

  • Gitarre

    Buck Meek, Adrienne Lenker

  • Schlagzeug

    James Krivchenia

Sonstiges

  • Label

    4AD

  • Spieldauer

    80:36

  • Erscheinungsdatum

    11.02.2022

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