Dass eine Band wie BLEEDING, der man im Metal-Underground vor rund zehn Jahren hinsichtlich ihrer Debüt-EP das Zeug zu etwas ganz Großem bescheinigte, heute (wieder) ohne Unterstützung einer Plattenfirma dasteht, ist weniger ein Armutszeugnis als ein Zeichen dieser Zeit, in der aufstrebende Bands kaum mehr unter die Arme gegriffen werden kann, und wenn diese Bands auch verständlicherweise außerstande sind, alles auf eine Karte zu setzen, indem sie konstant touren, erstickt das jegliches Interesse von Labels im Keim.
So dürfte es auch im Fall des Quintetts aus Stade gewesen sein - davon abgesehen, dass es an seinem eigenständigen, unangepassten Prog-Metal-Stil festhält. BLEEDING halten die Fahne der experimentierfreudigen und oft auch kauzigen Gruppen hoch, die insbesondere in den 1990ern von sich reden machten, seien es Thought Industry und Civil Defiance in den Vereinigten Staaten oder Secrecy, Sieges Even und (frühe) Lanfear in Deutschland.
"Universe 25" beruht inhaltlich auf den Ratten- und Mäuse-Experimenten des Verhaltensforschers John B. Calhoun († 1995), anhand welcher er Rückschlüsse auf menschliche Gesellschaften und deren potenziellen Zusammenbruch (unter anderem durch Überbevölkerung) zog. Während man in der urbanen Soziologie und Psychologie große Stücke auf den Wissenschaftler hält, dürfen sich BLEEDING einen akademischen Titel für ein in sich geschlossenes "thinking man´s metal"-Werk verleihen lassen, das die Band ein Stück weit fort vom technischen Thrash und hin zu dunklen Stimmungsbildern führt.
Der frühere Vergleich mit Psychotic Waltz erscheint nun weniger angebracht, als man etwa Dark Millenium als Bezugspunkt für "Universe 25" anführen könnte. Sänger Haye Graf nimmt passenderweise einen erzählerischen Duktus an (die großen, vordergründigen Gesangsmelodien gehen ihm daher ab, doch das passt und dürfte so gewollt sein), während die Instrumentalisten das dynamische Spektrum von leiser Zerbrechlichkeit (´The Cure´) bis zu beklemmender Heaviness (´Death²´) ausreizen.
Der staubtrockene Sound spiegelt quasi Labor-Atmosphäre wider, und die vielen Zwischenspiele zwingen geradezu zum Hören der Platte am Stück. Tut es oft und konzentriert, dann zehrt ihr unter Garantie sehr lange von "Universe 25"
FAZIT: Fünf Jahre nach „Elementum“ zeigen sich BLEEDING eigensinnig wie nie zuvor. "Universe 25" mag einige kompakte Songs mit einigermaßen gängigen Strukturen enthalten, ist aber alles andere als ein Song-orientiertes Album. Wer abstrakte, konzeptionelle Narrative unter dem Prog-Metal-Mantel mag (davon gab es in der Genre-Geschichte schließlich viele) findet hier eine neue Liebe.
Ach, und um auf die Labels zurückzukommen: "Universe 25" ist auch verdammt mutig, und Mut haben in einer Zeit der wirtschaftlichen Umbrüche nur die wenigsten Unternehmen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/9805250d04d645d9bba28f62b9303e2f" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.10.2022
Heiko Spaarmann
Haye Graf
Jörg von der Fecht, Marc Nickel
Andreas Tegeler
Eigenvertrieb
44:59
07.10.2022