Natürlich hatten auch JOEY BURNS, JOHN CONVERTINO und ihre Mitstreiter unter der Pandemie zu leiden, denn schließlich sind die Live-Auftritte die Haupt-Triebfeder für das Unternehmen CALEXICO.
Nachdem aber bereits das 2020er Werk „A Seasonal Shift“ (auf dem die Band Coverversionen und eigene Stücke zum Thema Weihnachtszeit versammelt hatte) unter Lockdown-Bedingungen entstanden war, sollte das neue Werk dann wieder ein 'ganz normales' CALEXICO-Album werden. Da kam es zupass, dass SERGIO MENDOZA, der langjährige CALEXICO-Keyboarder, sich gerade ein eigenes Studio in Tucson – der alten Heimstadt des Wüstenrock-Sounds – eingerichtet hatte. Und so kam es, dass JOEY BURNS, der seit 2020 in Boyse, Idaho lebt, und JOHN CONVERTINO aus El Paso, Texas nach Tucson reisten und dort zusammen in Mendozas Studio, ohne Zeitdruck und in lockerer Atmosphäre, gemeinsam die Grundlagen für das neue Album „El Mirador“ legten.
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Die Prämisse war laut Burns dabei, die Energie der seit langem vermissten Live-Shows irgendwie auch im Studio einzufangen und vor allen Dingen eine Songsammlung mit einer positiven Note zu erschaffen und dabei auf rhythmische Akzente und tanzbare Grooves zu setzen, mit der Absicht, die Menschen (wieder) zusammenzuführen. Das erklärt zugleich, warum „El Mirador“ – was übersetzt in etwa „der Ausguck“ heißt – dann ein CALEXICO-Album fast ohne echte Balladen geworden ist, dafür aber von der federnden Kraft insbesondere von Cumbia-Rhythmen befeuert wird.
Inhaltlich geht es darum, dass JOEY BURNS als Songwriter eben genau hinschauen möchte, Fragen stellt, aber nicht notwendigerweise Antworten bereit hält und vor allen Dingen wieder den integrativen, verbindenden, internationalen Charakter der CALEXICO-Musik ins Zentrum stellt. Nicht ohne Grund achtete er darauf, dass die Nordamerikanische Perspektive bei diesem Werk nur eine von vielen ist. Am ehesten wird das deutlich durch die Reihe von Freunden aus dem erweiterten CALEXICO-Umfeld, die – trotz der Pandemie – an dem Projekt beteiligt wurden: DJ, Keyboarder und Tontechniker CAMILO LARA kommt etwa aus Mexico, JAIRO ZAVALA ist der Gitarrist der spanischen Band AMPARANOIA, SAM BEAM (IRON & WINE) ist zwar US-Amerikaner, aber von der Ostküste und Gastsängerin GABY MORENO stammt aus Guatemala.
Obwohl die klassischen CALEXICO-Spezifika – Wüstenrock, Mariachi-Vibes, klassischer Gitarrenpop oder eben Cumbia – auch auf „El Mirador“ nicht fehlen, funktioniert das neue Album am besten als zeitlose Weltmusik-Scheibe.
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FAZIT: Zwar haben CALEXICO bereits 2003 auf dem Album „Feast Of Wire“ mit dem Track „Guero Canelo“ zum ersten Mal mit dem Cumbia-Stil experimentiert, doch die Idee, fast ein ganzes Album in dem ursprünglich aus Kolumbien stammenden Stilmix einzuspielen, entsprang vielmehr dem Bedürfnis, mit positiven Vibes eine Art Kontrapunkt gegen den mittlerweile allgegenwärtigen Krisenmodus unserer Tage zu setzen. Das geschah auf „El Mirador“ aber weniger mit einer eskapistischen Absicht, sondern indem die lebensbejahende, locker groovende Tanzmusik (die in letzter Zeit durch die Arbeit von GABRIEL SULLIVAN und BRIAN LOPEZ – beides Freunde des CALEXICO-Sängers und -Gitarristen – und deren Projekt XIXA auch bei uns immens populär geworden ist) als Generationen-übergreifende, verbindende, zelebratorische und vor allem integrative Kraft gesehen wird, die Menschen aller Couleur zusammenbringen kann.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.04.2022
Joey Burns
Joey Burns
Sergio Mendoza
John Convertino
City Slang
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08.04.2022