Müssen CANDLEMASS nach über 40 Jahren Bandgeschichte noch jemandem etwas beweisen? Nein, und so verwundert es kaum, dass ihr neues Studioalbum „Sweet Evil Sun“ wieder einmal wie ein auf zehn Songs eingedampfter Querschnitt des Gesamtwerks der ikonischen Doom-Metaller wirkt.
Für die Produktion begab man sich nach „The Door To Doom“ (2019) und der „The Pendulum“-EP (2020) zum dritten Mal mit Ur-Sänger Johan Längquist ins Studio, der auf dem legendären Debüt „Epicus Doomicus Metallicus“ wohgemerkt nur als Session-Mitglied aufgeführt wurde. Seine rauer gewordene Stimme glänzt heute auch und gerade in der auf der instrumentalen Ebene minimalistischen, aber zu gleichen Teilen aggressiven und hymnischen Vorab-Single ´Scandinavian Gods´.
Das majestätisch schreitende ´Wizard Of The Vortex´ erinnert an die Phase der Band mit Frontmann Robert Lowe beziehungsweise den "Death Magic Doom"-Opener ´If I Ever Die´ von 2009, wobei der CANDLEMASS-typische Kniff eines Rhythmuswechsels zum Refrain Anwendung findet – wie bald darauf auch im erst zähen, dann Uptempo-lastigen ´Angel Battle´, dessen sperriger Charakter ein wenig an die Ära „From The 13th Sun“ (1999) denken lässt.
Ähnliches gilt für ´When Death Sighs´, das über einen besonders markanten Refrain verfügt, in dem die tiefen Vocals von Sängerin Jennie-Ann Smith (Frontfrau von Mastermind Leif Edlings Songwriting-Projekt Avatarium) in einer hohen Tonlage gedoppelt werden, während das Arrangement ansonsten mehrmals in sich zusammenfällt – erfrischend unkonventionell für eine Band, die sich gern allzu oft selbst kopiert.
Der einschmeichelnd melodische, aber mit markant stampfendem Groove ausgestattete Rocker ´Sweet Evil Sun´ wird subtil durch eine Orgel unterlegt, was die Schweden dann umso eindrucksvoller im bleischweren ´Black Butterfly´ wiederholen, wobei zwischendurch etwas aufs Gaspedal getreten wird. Dies trifft auch auf das eher flotte ´Devil Voodoo´ zu, das aber innerhalb seiner fast acht Minuten zahlreiche Wandlungen durchläuft.
Diese vertrackte Ader leben CANDLEMASS gleichfalls im anschließenden ´Crucified´ aus, das in rhythmischer Hinsicht verhältnismäßig komplex ist. Nach dem gelinde gesprochen unauffälligen (beliebigen) ´Goddess´ an vorletzter Stelle – der einzigen Komposition des Albums, die man vergessen kann –, folgt ein wohl beim Jammen ersonnenes Outro…
Hinter dem abschließenden Wortspiel ´A Cup Of Coffin´ steckt ein merkwürdiges Instrumental von 1:13 Minuten mit Publikumsapplaus am Ende. Ungeachtet dieser Merkwürdigkeit darf man dem Quintett einen weiteren Selbstläufer prognostizieren, mit dem es keinen Fan verprellen wird.
FAZIT: Mit dem Avatarium-Gitarristen Marcus Jidell als Produzenten, der „Sweet Evil Sun“ einen ruppig transparenten Sound verpasst hat, bleibt bei CANDLEMASS nicht nur alles in der erweiterten Familie, sondern auch beim Alten - das symbolträchtige Artwork stammt passenderweise wie alle bisherigen seit „Psalms For The Dead“ (2012) von dem Künstler Erik Rovanperä. Die Band zehrt auf ihrem neuen Album von ihrer facettenreichen Diskografie und könnte ruhig häufiger in deren verborgene Winkel schauen, denn abseits der offensichtlichen Hits gab es immer besonders spannende Musik von Schwedens Doom-Granden zu hören. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/2188b92961b44111a1df74e48338154a" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.11.2022
Leif Edling
Johan Längquist
Lars Johansson, Mappe Björkman
Janne Lind
Napalm / SPV
53:51
18.11.2022