Natürlich hat auch CASS McCOMBS im Laufe seiner nunmehr auch schon wieder 20-jährigen Solo-Karriere als Songwriter, Instrumentalist und Produzent ordentlich dazugelernt und draufgelegt. Aber auch auf seinem inzwischen 10. Studioalbum hat der Mann sich seinen Sinn für originelle Songtitel, kontrollierte Unberechenbarkeit, sperrige Indie-Attitüde und konzeptionelle Unangepasstheit keineswegs austreiben lassen – und damit begann er ja immerhin schon vor 20 Jahren.
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Auf „Heartmind“ verarbeitet CASS den Verlust einiger enger Freunde (etwa NEAL CASAL, dem er u.a. dieses Album auch widmet).
Mal wird das mehr, mal weniger deutlich – vor allen Dingen nutzt McCOMBS diese Betrachtungen aber zur persönlichen Standortbestimmung und kommt dabei zum Schluss, dass eher er sich selbst verloren hat, als etwa die Erinnerungen an die Freunde.
Auch für Sozialkritik bleibt Raum – etwa indem er in „Unproud Warrior“ das differenzierte Porträt eines Veteranen als Spiegelbild einer verschwendeten Jugend entwirft.
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Natürlich geschieht das nicht in Form desolater Trauerballaden, sondern wie gewohnt quirky und subversiv mit einer Sammlung von stilistisch zwischen Indie-Schrullen, Country-Seligkeit, Lounge-Jazz-Affinität und Samba-Folk-Ansätzen hin und herpendelnden Songs, in denen er seine Referenzen aus Pop-Kultur, Literatur, Film & Fernsehen und klassischen US-Klischees gewohnt redegewandt und musikalisch wagemutig miteinander verquickt.
Der Mann, der schon mit seiner zweiten LP namens „PREfection“ darauf aufmerksam machte, dass es ihm eben nicht um Perfektion gehe, würfelt auch auf seinem neuen Album alles wieder munter durcheinander – nimmt sich dafür heutzutage aber mehr Zeit für einzelne Themen.
Der philosophische Titeltrack ist beispielsweise 9 Minuten lang. Natürlich klingt das heutzutage alles eleganter und runder als zu Beginn seiner Laufbahn – aber mit unkonventionellen musikalischen und thematischen Entscheidungen überraschen kann CASS McCOMBS nach wie vor.
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FAZIT: Von Anfang seiner Solo-Laufbahn an setzte CASS McCOMBS auf die Zusammenarbeit mit Kollegen. Das hatte ursprünglich damit zu tun, dass er vor seiner Solo-Laufbahn in etlichen Bands aus der Bay Area mitwirkte – nun aber vor allen Dingen damit, dass McCOMBS einfach gut mit anderen kann. An „Heartmind“ sind insgesamt 18 Musiker beteiligt. Unterstützt wurde er etwa von der Basslegende SHAZAD ISMAILY, dem Produzenten ROB SCHNAPF, DANIELLE HAIM oder WINONA JUDD (die ihm in „Unproud Warrior“ eine zweite Stimme als Duettpartnerin gibt). Diese Offenheit wirkte sich natürlich musikalisch insofern aus, als dass McCOMBS die beteiligten Kollegen (darunter auch Streicher und Bläser) wie ein Regisseur entsprechend ihrer Talente einsetzen und gerade deswegen zu seiner musikalisch breit gefächerten Soundpalette gelangen konnte.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.08.2022
Shazad Ismaily
Cass McCombs
Cass McCombs
ANTI-/Indigo
42:32
19.08.2022