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Celtica: Celtic Spirits At Merkenstein – Kommentierte Review-Version durch Gajus Stappen und CELTICA

Stil: Dudelsack Rock als bombastische Show

Cover: Celtica: Celtic Spirits At Merkenstein – Kommentierte Review-Version durch Gajus Stappen und CELTICA

<b>PROLOG</b>
<i>Musik kann bindende, aber auch entzweiende Momente besitzen, denn immer wirkt sie subjektiv auf denjenigen, der sie wahrnimmt und kann dabei den Einen begeistern oder die Andere nerven. Noch intensiver wird diese Auseinandersetzung, wenn sich ein Kritiker dabei einschaltet und darüber schreibt, wie das, was er hört und im Falle von „Celtic Spirits At Merkenstein“ auch sieht, auf ihn wirkt, was es in ihm auslöst und dabei hofft, auch die Intentionen der Musiker, welche ihre ganz eigene Absicht mit ihrer Musik verfolgen, zu begreifen und <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2022/Celtica/Celtic-Spirits-At-Merkenstein/" target="_blank" rel="nofollow">in seiner Review</a> so treffend wie möglich wiederzugeben, zu loben oder zu bemängeln.
Doch es gibt auch die Momente, in denen der Kritiker und der Musiker nicht so richtig zusammenkommen, sich missverstanden fühlen, deswegen vielleicht sogar aufeinander sauer sind und vielleicht ihre Wut aufeinander am Ende in sich hineinfressen. Das ist natürlich nicht gerade richtungsweisend, passiert aber noch viel zu oft. Gerade in den Printmedien ist es dann besonders für einen Musiker verdammt schwierig, sich entsprechend umfangreich zu solchen Kritiken zu äußern. Diesbezüglich bieten die Online-Medien wie unsere Musikreviews.de eine weit offenere Möglichkeit, vorausgesetzt natürlich, man versteht sich nicht als einseitig in eine Richtung agierender Kritiker, sondern lässt auch Kritik an sich selber und seiner Review zu. Das ist dann seitens der Leser immer in den Kommentar-Zeilen möglich.
Doch was geschieht, wenn sich der oder die Musiker selber zu Wort melden, um die es in einer Review geht, weil sie mit der Kritik oder Auszügen bzw. Wertungen daraus absolut nicht einverstanden sind?
So wie im Falle dieser Review, auf die GAJUS STAPPEN, der Kopf hinter CELTICA, mit einer E-Mail reagierte, in der er zum Ausdruck brachte, dass er nicht wirklich einverstanden mit dieser Review ist.
Völlig verständlich – und nachdem er freundlich mit mir Kontakt aufgenommen hatte und mir sehr plausibel seine Ansichten und die der Band zur Konzertaufnahme dieser CELTICA-DVD und zu meiner aus seiner Sicht missverständlichen Review mitteilte, erhielt CELTICA von mir die Möglichkeit, im Rahmen dieser Review ihren ausführlichen Kommentar dazu (So gesehen die Kritik zur Kritik...) direkt unter der Review zu verfassen, sodass die 'neue' Review zu „Celtic Spirits At Merkenstein“ nunmehr mit einem Vorwort des Kritikers (Prolog) und Nachwort der Band (Epilog) versehen wurde. Eine spannende Geschichte, oder?</i>

<b>Die Originalkritik:</b>
Oh ja, die Dudelsäcke rocken wieder – und sie haben genauso wie viele andere von uns die Schnauze gestrichen voll von diesem pandemischen Notstand, bei dem Politiker zuerst der Kunst, Kultur und natürlich Musik den Stillstand verordnen, während die gut aufgestellten Lobby-Kicker noch immer vor einem riesigen Publikum spielen dürfen. Egal, ob sich das nun in Österreich oder Deutschland oder irgendwo in Europa abspielt. Auch bei dem mittelalterlichen Dudelsack-Rock von CELTICA aus Österreich werden Fackeln entzündet und es wird mit dem Feuer gespielt, ohne dass man sich gleich Nazi-Vergleichen aussetzen muss, weil frustrierte 'Spaziergänger', deren Privatsphäre man permanent beschneidet, auch mal vor den Türen von Politikern, die fast nur noch unkoordinierte Kacke bauen, auftauchen.

Hätten die bei ihrem Fackel-Umzug doch einfach nur die geile irisch angehauchte und mittelalterlich extrem rockende und vom Dudelsack-Gebläse angetriebene CELTICA-Musik made in Austria gespielt, die wir auf äußerst ungewöhnliche Live-Weise auf „Celtic Spirits At Merkenstein“ zu hören bekommen, dann hätte man unserer politischen Kaste sogar noch ihrer Naziargumentation beraubt und ihnen vielleicht ein wenig besser klarmachen können, dass sie irgendwann auch mal für all den Bockmist, den sie verzapfen und in ihren eigenen politischen Kleinkriegen unter ein immer genervteres Volk tragen, gefälligst gerade zu stehen haben. Aber so lange sich immer irgendwelche dumpfbackigen Nazis mit in die Reihen einordnen, kann man ja sofort auf den ängstlichen Beleidigtenmodus umschalten und im kleingeistigen Politiker-Sprech völlig unlogisch die Logik entwickeln: ein Nazi dabei gleich alle Anderen auch Nazis!

Und sage mir hier keiner, dass Musik und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Längst schon wurden wir von überforderten Politikern und ihren kulturellen Verboten eines besseren belehrt und ertragen den Untergang der abendländischen Kultur, auf die wir angeblich immer so stolz waren und die unseren Werte-Kanon und dieses Dichter-und-Denker-Gehabe vernichtet, stoisch, während selbst zu Corona-Zeiten sich mal wieder der ekelhafte Grundsatz bewahrheitet, wie wichtig eine mächtige Lobby ist. Unsere europäische Kultur jedenfalls hat keine und nur zu gut versteht man die Forderungen von Künstlern, dass es endlich ein Kultur-Ministerium in den Ländern und im Bund und in Europa geben müsste.

Ist es nicht seltsam, dass gerade diese Live-DVD eines gigantischen CELTICA-Konzerts, die wirklich einen mehr als ungewöhnlichen pandemischen Hintergrund hat, solche Gedanken beim Kritiker auslöst?

Nein, ist es nicht, denn wenn am Ende des Konzerts der Bandleader, Gitarrist Gajus Stappen, mit Tränen in den Augen feststellt: „Ein Traum wird wahr – das war einer der schönsten Momente meines Lebens!“, und zuvor schon in mehreren Ansagen zum Ausdruck kam, wie sehr die Band infolge von Covid-19 und der damit verordneten Isolation litt, sodass auch dieses als Stream und speziell für DVD entstandene Konzert in der österreichischen Arena Lindabrunn am 26. Juni 2021 – also mitten in (kurzfristig gelockerten) Pandemie-Zeiten – im Grunde eins ohne Publikum, sondern nur mit der gigantischen Beteiligung von 70 Künstlern wurde, dann wird einem klar, was hier und heute absolut schief läuft, während wir vorm Computer oder Fernseher diese tollen Aufnahmen und diese wortwörtlich feurige Musik bewundern, die entstand, während beispielsweise Bayern München vor fast 60.000 Zuschauern kickte, aber ebenfalls unter freiem Himmel CELTICA und ihre Mitstreiter, wie THE VILLAGE VOICES, ein Kinder-Chor, die Step-Tänzer IRISH FIRE, die Feuershow DAIDALOS, die Tänzerinnen ELVES OF THE WOODS sowie viele mehr ohne Publikum sich selber bejubeln und feiern durften, wobei diese Konzert-DVD entstand, die jedem ans Herz gelegt werden muss, der noch ein bisschen mehr als einen Bayernhut und Bayernschal mit sich rumträgt. Außerdem wurde der wahre Gigant 1770 im nordrhein-westfälischen Bonn und nicht Bayern geboren und hieß Beethoven, worauf CELTICA auch in „Birth Of A Giant“ verweist. Zugleich auch das große Finale des Konzerts, das CELTICA selber als die „bis heute beste CELTICA-Performance“ bezeichnet.

Als absolute Bereicherung bei CELTICA erweist sich deren neuer Mann Ernesto Gongora aus Irland (der dort bereits den Preis als bester Dudelsack-Spieler einheimste), weil er neben dem Highland-Dudelsack auch gleich für jede Menge Whistle- und Flöten-Töne sorgt, was der Musik neue Impulse verleiht und mitunter für einige sehr angenehme, ruhige Momente sorgt.

Mit Lukas Lichtenfels ist zudem ein neuer Schlagzeuger mit an Bord, der selbstverständlich auch sein Solo im Laufe des Konzerts erhält genauso wie alle Musiker und beteiligten Künstler ihre ausgiebigen Auftritte vom Tanz bis zur Feuer-Show und bombastischen Chor-Parts erhalten.
Schon der Einzug aller Beteiligten bei „Celtic Spirits“ und der Auszug bei „Amazing Grace“ verleihen dem gesamten Konzert eine einerseits theatralische und andererseits melodramatische Aura, der man sich kaum entziehen kann.

Musikalisch gibt’s dann vielfältig umrahmt den typischen CELTICA-Pipes-Rock, der beispielsweise bei „Time To Rise“ in bester RAMMSTEIN-Manier samt Flammenwerfer auf den Instrumenten daherkommt und immer wieder durch neue Gäste erweitert wird, die dann an Harfe und E-Violine oder mit brennenden Drumsticks gespielten Trommeln das Klangspektrum erweitern. Ganz großartig ist hierbei der Moment, in dem bei „All Clans United“ Ricarda Bremstaller an einer großen Harfe solistisch beginnt und einem das Gefühl vermittelt, als wäre eine Loreena McKennitt mit im CELTICA-Spiel.

In der umfangreiche Zugabe, bei der gleich intensiv Beethoven gehuldigt wird und neben dem riesigen Erwachsenen-Chor bei „Freude schöner Götterfunken“ auch ein Kinder-Chor einen wirklich 'süßen Auftritt' bekommt, lässt dann zum x-ten Mal erneut Freude aufkommen, welche die Nachdenklichkeit, die zuvor das Pandemie-Stück „When The Crown Dazed The World“, eine krasse Kritik im mittelalterlichen Stil eben, wieder wegbläst. Doch auch Trauer kommt nur wenig später auf, wenn CELTICA ihren Gedenktitel „Healing Tune“ für Peter samt Schmetterlingstanz im akustischen Gewand aufführen.

Am Ende vergießt Bandleader Gajus Stappen bei seiner letzten Ansage zudem noch Tränen und man kann ihn nach diesem Konzert unter Pandemie-Bedingungen wahrhaft verstehen, denn die Musik von CELTICA lebt vorrangig, wie es einem diese Aufnahmen bestätigen, von der Live-Atmosphäre – und die ist einfach durch nichts zu ersetzen.

FAZIT: Die Gewinner des australischen Celtic Music Awards kommen doch tatsächlich aus Österreich (Austria) und nicht aus Australien (Australia) – so ähnlich beides auch klingen mag, es liegen Welten dazwischen. Die mittelalterlich und irisch angehauchten Dudelsack-Dampf-Rocker CELTICA versuchen, der Pandemie ein Schnippchen schlagend, mit einem gestreamten und nun auf DVD erschienenen Konzert in einer geheimnisvoll anmutenden Felsarena ihr aktuelles Album live unter Mitwirkung von insgesamt 70 Künstlern (Chöre, Trommler, Tänzer, Feuerkünstler, Harfe, Geige) auf wahrhaft beeindruckende Weise samt ausgeklügelter Choreografie umzusetzen. Ihr Publikum sind dabei ausschließlich die beteiligten Künstler und natürlich alle, die dieses Ereignis im Stream miterlebten. Endlich wird auch als DVD „Celtic Spirits At Merkenstein“ zum echten Live-Erlebnis, das eigentlich in dieser Form vor ein reales statt ein 'digitales' Publikum gehört!

<b>EPILOG von CELTICA</b>
<i>Lieber Thoralf,
vorab möchten wir uns einerseits dafür bedanken, dass Du über unsere DVD eine so lange Review geschrieben hast, und andererseits, dass wir auch noch die Möglichkeit erhalten, einige Punkte – in aller Freundschaft – von unserer Seite zu kommentieren. Das ist äußerst ungewöhnlich, und wir wissen das wirklich zu schätzen…

Womit wir ein schlechtes Gefühl haben, ist, dass ein Großteil der Review eine sehr polemische Pandemie/Politiker-Kritik ist, und dass auch der Eindruck entsteht, dies sei die Meinung der Band.
Natürlich leiden Musiker enorm unter den Konzertabsagen, aber das ist eben eine Auswirkung der Pandemie. Fast jede und jeder ist mehr oder weniger betroffen, von Kleinkindern bis zu den Senioren, und wenn es bereits in's 3. Jahr geht, steigt die Frustration. Da fällt leicht, „den Politikern“ die Schuld zuzuschieben. Sicher gibt es auch dort unfähige, charakterlose oder gar böse Menschen, aber „den Politikern“ immer und überall Unfähigkeit und/oder Boshaftigkeit zu unterstellen, scheint mir nicht nur zu einfach, sondern würde auch bedeuten, dass wir nicht fähig sind, „gute“ Politiker für die Leitung unserer Gesellschaft zu finden.
Auch ein neidvolles Hinschlagen auf „den Fußball“ bzw. auf Bayern ist unserer Meinung nach nicht angebracht.
Weiters bedauern wir, dass jetzt Fackeln wieder mit Nazis assoziiert werden, wollen aber dieses wichtige Element nicht der Kirche (Osterfeuer), den Linken (Maiaufmarsch) und schon gar nicht (Neo)Nazis überlassen, sondern es um so mehr für künstlerische, friedliche Zwecke wieder „zurückholen“. Es ist auch weder unsere Meinung, dass alle Impfgegner Rechtsradikale sind, noch, dass es Politiker bewusst ausschließlich so darstellen.
Alle diese Gedanken sind ohne unsere Absicht oder gar Zutun entstanden. Uns geht es um einen einmaligen Abend, in den wir alle erst viel Arbeit und Herzblut investiert haben, und dann reichlich belohnt wurden.
Auch wenn unsere Show entstanden ist, um die entfallenen Auftritte in irgendeiner Form wettzumachen, so war sie in dieser großen Form auch <u>nur</u> wegen der umfassenden Auftrittsabsagen möglich: <u>Ohne</u> Corona hätten nie so viele Künstler Zeit gehabt, mitzumachen! Und gerade nach der Isolation und dem künstlerischen Stillstand wieder gemeinsam etwas Beeindruckendes geschaffen zu haben, löste nicht nur bei mir, sondern eigentlich allen Beteiligten, ein ganz besonderes Glücksgefühl aus, das per Livestream von zahlreichen Fans geteilt wurde, die für uns durchaus real waren. Ich „vergoss die Tränen“ am Schluss nicht wegen der Corona-Massnahmen oder Fehlen einer „durch nichts zu ersetzender Live-Atmosphäre“ sondern aus Freude über so einen unglaublichen Abend. Und jetzt kann man sich diesen magischen Abend sogar auf DVD ansehen…;-)
Wir hoffe, mit unserem Statement einen anregenden Kontrapunkt gesetzt zu haben und sind auf Eure Rückmeldungen sehr gespannt.

PS: Unser neuer Dudelsackspieler Ernesto ist nicht Ire, sondern Mexikaner, er hat aber in Irland gelebt und die letzte vor-Corona „All Ireland Bagpipe Solo Competition“ gewonnen (als erster Mittel- und Südamerikaner…).</i>

Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.01.2022

Tracklist

  1. Celtic Spirits
  2. Cork Hill
  3. Old Man Of Storr
  4. When The Crown Dazed The World
  5. All Clans United
  6. Excalibur
  7. White Whale
  8. Jigging On The Rocks
  9. The Rockin' Irish Duelt
  10. Granuaile
  11. IRISH FIRE: A Capella
  12. Back To The River
  13. A Sinister Romance
  14. Megawatt
  15. The Last Voyage Of The Great Michael
  16. Ferrum Norricum
  17. Visitors 1+2
  18. Symphony In Drum Minor
  19. Time To Rise
  20. Amazing Grace
  21. Atholl Highlanders
  22. 1770 – Birth Of A Giant (Moonlight Sonata 5th & 9th Symphony)
  23. Healing Tune
  24. Reprise Celtic Spirits
  25. Credits
  26. Preparations
  27. Afterparty

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Eigenpressung/Stringedependent Records

  • Spieldauer

    157:10

  • Erscheinungsdatum

    19.01.2022

© Musikreviews.de