Was CHILDREN OF THE SÜN mit ihrem zweiten Album vorlegen, ist am Standard nahezu der gesamten sogenannten Retro- oder Vintage-Szene gemessen atemberaubend. Das schwedische Sextett zog sich schon 2019 mit seinem Debüt "Flowers" achtbar aus der Affäre, wirkt jedoch auf "Roots" nicht nur wie um Jahre gereift, sondern auch regelrecht alterfahren, weise und von den Stereotypen befreit, auf die sich das Gros der Nachahmer in ihrem Milieu beschränken.
Freilich nutzt die Band auch heute noch alle Schikanen, die den klassischen Rock im Geist von Flower Power ab Ende der 1970er ausmachten, doch ihre neue Platte klingt weder nach einem alternativen Woodstock-Soundtrack noch wie eine klapprige Kiste voller Zitate von Vorbildern, deren Originale sowieso unantastbar bleiben.
Die Sängerinnen Josefina Berglund Ekholm, Ottilia Berglund Ekholm und Wilma Ås (auch Keyboards) tragen ihre Seelen buchstäblich auf der Zunge, während im Hintergrund ein mal tieftrauriger (höre das Titelstück), mal ungeheuer sonniger und zuversichtlich stimmender (´The Soul´) Film abrollt. Gitarrist Jacob Hellenrud hat den Blues anscheinend genauso tief verinnerlicht wie der den Blues Pills abtrünnig gewordene Franzose Dorian Sorriaux.
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In Songs wie dem Instant-Hit ´Gaslighting´, der Riff-Breitseite ´Leaves´, dem wahrlich heißblütigen ´Blood Boils Hot´ und dem gemischtgeschlechtlichen Duett ´In Silva´ stellen CHILDREN OF THE SÜN in Aussicht, was Big Brother And The Holding Company mit einer geistig nicht labilen Janis Joplin an der Spitze hätten werden können.
Somit bündelt "Roots" alles, was Hippie-Musik großartig machte, mit einem feinen Unterschied - die Scheibe bildet die Sixties gänzlich ohne unrasierte Achselhöhlen, schlechte LSD-Trips, zu freier Liebe verklärte Vergewaltigungen und im Schlamm ertrinkende Festivalbesucher ab: ein "altes" Album für jetzt und die Zukunft!
FAZIT: CHILDREN OF THE SÜNs "Roots" spricht das vorläufig letzte Wort in Sachen Retro-Rock. An dieser Platte müssen sich ALLE ähnlichen Bands fortan messen lassen. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/b706741032c54fd290a3c5a23e21ebb4" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2022
Ida Wahl
Josefina Berglund Ekholm, Ottilia Berglund Ekholm
Jacob Hellenrud
Wilma Ås
Johan Lööf
The Sign / Cargo
49:26
18.03.2022