Dieses Album ist (wie viele Alben der letzten Zeit) unmittelbar von den Geschehnissen der vergangenen zwei Jahre beeinflusst. „Weltschmerz“ ist aber viel mehr als nur der plakative Titel für ein pessimistisches Stück Musik. Es ist die Essenz einer kollektiven Psychose, die sich in jüngster Vergangenheit im tagtäglichen Leben breitgemacht hat.
Der Prolog gibt mit seinen poetisch formulierten Worten eine grobe Richtung vor, die sich im Verlauf der folgenden Songs zu einem Strudel aus (Selbst-)Hass, Wut, Verzweiflung und Aggression aufbauscht. Aber dieser emotionale Sprengstoff basiert nicht auf Stumpfsinn oder persönlicher Engstirnigkeit, sondern ist vielmehr Beschreibung aber auch Reaktion auf den menschlichen und gesellschaftlichen Verfall der jüngsten Zeit.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/AluBttXV9Vk" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
All diese Emotionen gipfeln in einer brutal-wütenden Soundcollage aus massiven Riffs, stampfendem Groove, inklusive zerstörerischer Breakdown-Parts und kalten Synthesizern. Trotzdem ist „Weltschmerz“ kein einseitiges oder gar eintöniges Album geworden. Natürlich herrscht eine gewisse Grundatmosphäre vor und auch eine positive Auflösung der Thematik findet sich kaum.
Tracks wie „Wither“ verbinden die pessimistische Aggression aber mit einer zusätzlichen Note, die sich gar nicht so leicht beschreiben lässt. Der hier erstmals zum Einsatz kommende Klargesang hat etwas Verzweifeltes, macht den Song aber auch sehr „groß“.
Ein interessantes Merkmal des DAGGER THREAT-Sounds sind die Vocals. Denn trotz aller Aggression und Wut liegt ihnen stets eine gewisse Melancholie, ja, beinahe Traurigkeit zugrunde.
Eindrücklich nachzuhören ist das in der Tour de Force „Cynic“. Kalte Synthesizer, unbändige Brutalität und schiere Verzweiflung werden zu einem emotional aufgeladenen und doch sehr kargen, weil hoffnungslosen Stück Musik verbunden.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/SSyfTFpICpg" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Dieser emotionale Schwebezustand zieht sich als roter Faden durch sämtliche Songs auf „Weltschmerz“. Und doch stechen Nummern wie „Faint“ irgendwie heraus. Nicht etwa weil der Song so anders wäre, sondern eher weil der schwere, melancholische Unterton, der stets präsent ist, hier noch deutlicher nach außen gekehrt wird. Das liegt nicht zuletzt an dem verstärkten Einsatz von Klargesang. Denn der sorgt dafür, dass der Song in sich beinahe zerrissen wirkt. Das ist aber viel weniger auf die Musik bezogen als auf die Emotionen die das Stück lostritt. Düsteres Kopf-Kino…
Die wachsende Unruhe findet im beklemmenden „Unrest“ dann einen zerstörerischen Höhepunkt. Vertonte Ausweglosigkeit. Bloße Hände, die wieder und wieder auf kalten Stein einschlagen, nur um den Schmerz des Lebens nicht spüren zu müssen. Solche Bilder ziehen vor dem geistigen Auge auf und plötzlich ist da dieser andächtige, fast sehnsüchtige Epilog. Die Aussage dieses Abschlusses ist aber alles andere als hoffnungsvoll. Alles ist vorbei, alles ist verloren, alles war sinnlos.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/tGOAjOqFmjQ" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
FAZIT: Dieses Album könnte passender nicht betitelt sein, denn die Emotionen, die in „Weltschmerz“ stecken, sind so universell wie aktuell. Auf emotionalen Verfall folgt Resignation, folgt Stumpfheit und Mitläufertum. Nicht nur mit dieser Aussage treffen DAGGER THREAT den Nerv der Zeit auf sehr präzise Art und Weise, auch musikalisch ist dieses Album ein aufwühlendes Zeitgeistdokument.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/4zvT-DACqwk" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.07.2022
Fynn Oliver Diedrichsen
Tim Rogler
Dennis Vogt, Nicolas Hoff
Sascha Meier
BDHW Records
38:23
03.06.2022