Der King – und kein Ende.
Es ist gerade einmal ein gutes Jahr her, dass mit <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Elvis-Presley/From-Elvis-In-Nashville/" target="_blank" rel="nofollow">„From Elvis in Nashville“</a> ein Raritäten-Doppel-Album auf Vinyl erschien. Damals war es in zwei unterschiedliche Musikstile, pro LP einer, unterteilt. Hierbei erhielt die erste LP die Überschrift 'Pop', die zweite LP war die Country-Seite. Auf diese Weise wurde die Absicht gefestigt, dass King Elvis nicht nur eine Rock'n'Roll-Seite besaß, sondern musikalisch viel, viel mehr zu bieten hatte. In dem damaligen Falle neben dem Pop eben auch den Country.
Auf dem neuen Doppel-Album „Back in Nashville“ – so gesehen die Fortsetzung des Doppelalbums von „From Elvis in Nashville“ – werden sogar alle vier LP-Seiten mit einer eigenen Stilrichtung versehen, bei der Presley beweisen kann, wie vielseitig seine Stimme einsetzbar und zugleich in jedem Genre überzeugend ist: Seite 1 ist erneut die Pop-, Seite 2 diesmal die Country/Folk-, Seite 3 die Gospel- und Seite 4 die Weihnachts-Seite. Übrigens ist gerade die weihnachtliche Musik von ELVIS ja längst ein Klassiker und gehört zu vielen Festen am Jahresende weltweit mit dazu, wobei diese vier, insgesamt knapp 19 Minuten langen Aufnahmen eine ganz neue Qualität haben und wohl bis dato in diesen Versionen noch nicht unters Fan-Volk geworfen worden sind.
Wie schon bei den ersten Nashville-Aufnahmen unterlag Presley auch bei dieser Songauswahl keinen besonderen oder unerträglichen Zwängen, aber doch konkreten Vorgaben seitens der Plattenfirma, musste ansonsten jedoch nicht irgendwelche unnötigen Kompromisse eingehen. RCA und Colonel ließen den King nur wissen, dass sie mit ihm ein Weihnachtsalbum, ein Gospel-Album, ein Pop-Album und mehrere Singles für den Sommer und Herbst planten bzw. erwarteten.
Die Doppel-LP „Back In Nashville – 50th Anniversary“ stellt in diesem Falle, genauso wie „From Elvis in Nashville“ zuvor, erneut eine Auswahl der besten Stücke dieser Ära für's Vinyl dar. Wer gerne alles aus dieser Zeit und den Sessions besitzen möchte, müsste dann auf das gleichnamige 4-CD-Set zurückgreifen. Presley begab sich für die Aufnahmen erneut für eine Woche mit der gleichen Band, mit der er ein Jahr zuvor bereits die anderen Nashville-Aufnahmen eingespielt hatte, ab dem 15. März 1971 wieder in das Nashviller Studio, um alles, was ihm so in den Sinn kam, einzuspielen.
Hierbei bevorzugt er, ähnlich wie im Jahr zuvor, deutlich die ruhigeren als die rockigeren Töne, was seine Stimme besonders deutlich in den Vordergrund rückt und beispielsweise den durch FRANK SINATRA berühmt gewordenen Song „My Way“ ähnlich wie bei Sinatra selber zu einem wahren Balladen-Ereignis mit hymnischen Charakter werden lässt, ohne ihn allerdings wie ein Chanson wirken zu lassen.
Nachdem diese Ballade die Pop-Seite abgeschlossen hat, erwarten einen auf der Folk-Country-Seite Presley-Interpretationen von Stücken, die im Original von KRIS KRISTOFFERSON, GORDON LIGHTFOOT, BUFFE SAINTE-MARIE und den BEATLES (spontane, sehr eigenartige Improvisation von „Lady Madonna“) stammen.
Auf der zweiten LP begibt sich ELVIS dann in die religiösen Gefilde und konzentriert sich auf der C-Seite ausschließlich auf gotteshuldigende Gospel-Gesänge und schließt das Album dann ausschließlich mit Weihnachtsliedern auf der D-Seite ab.
Hierbei sticht das großartige „R&B“-Weihnachtsstück „Merry Christams Baby“, das es auf eine satte Laufzeit von fast 9 Minuten bringt, deutlich hervor und lässt ELVIS sogar die Bitte des A&R-Managers, doch noch das Traditional „Silver Bells“ aufzunehmen, mit den Worten ausschlagen: „Hiernach bekomme ich das nicht mehr hin. Tut mir leid. Lass uns bei dem bleiben, was wir haben!“ Nach dieser groovy Blues-Weihnachtsnummer kann man Presley nur zu gut verstehen, da dürfen die Weihnachtsglocken gerne andere zum gefühlt millionsten Mal läuten...
Alles in allem findet sich auf dem Doppel-Album nicht ein echter ELVIS-Hit. Diese Absicht verfolgte Presley auch gar nicht – vielmehr würdigte er mit seinem Gesang die ganz großen Werke anderer Musiker, die er selber hochverehrte.
Eine wichtige Beigabe des Doppel-Albums sind zugleich die zwei farbig bedruckten Innenhüllen, die neben jeder Menge rarer Fotos aus dem Umfeld der Aufnahme-Sessions auch eine sehr umfangreiche, mit „Don't Think Twice, It's All Right“ überschriebene, zweiseitige Story rund um diese Sessions enthält, in der Ernst Mikael Jørgensen in akribischer Kleinstarbeit genauestens die Umstände, unter denen diese Aufnahmen entstanden, beschreibt und damit endet, dass dies die letzten Aufnahmen waren, die mit Elvis in Nashville entstanden und wird dabei sogar so konkret, dass die alles abschließenden Einspielungen „If I Get Home On Christmas Day“ und „My Way“ waren. Danach war man nur noch mit entsprechenden Overdubs beschäftigt, indem man beispielsweise Streicher und Bläser sowie weitere Instrumente über die Aufnahmen legte, welche dann auf „Elvis Sings the Wonderful World of Christmas“ (1971) sowie dem Grammy-gekrönten Gospel-Album „He Touched Me“ (1972) und „Elvis“ (1973) erschienen.
„Back In Nashville – 50th Anniversary“ hat dagegen den großen Vorteil, die 'unverfälschten', ohne Orchester-Overdubs oder nachträglich hinzugefügte Gesangsbegleitungen, Aufnahmen, die in dieser Weise bisher noch niemand zu Gehör bekam, sowie mit vielen Elvis-Kommentaren versehenen Aufnahmen zu präsentieren.
So klang ELVIS – und nicht anders!
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FAZIT: Ein Doppel-Album mit den letzten (unverfälschten) Nashville-Aufnahmen von ELVIS PRESLEY, das sich nahtlos an den ein Jahr zuvor erschienenen Nashville-Vorgänger „From Elvis To Nashville“ anschließt. Aus dem 'From' wird nun also ein 'Back In' aber ansonsten gilt für „Back In Nashville – 50th Anniversary“ dasselbe wie für den Vorgänger. Die gleiche Band, die Presley begleitet, dieselbe entspannte Atmosphäre und auch die Unterteilung der Seiten nach Genres (Pop/Country&Folk/Gospel/Christmas) stimmen überein. Das Besondere sind natürlich auch hier wieder die unverfälschten, 'puren' (unveröffentlichten) Aufnahmen des King, der zu diesem Zeitpunkt nur noch sechs Jahre zu leben hatte.
PS: Hier abschließend noch ein zusammenfassender Überblick zu der vier CD's umfassenden Ausgabe mit insgesamt 82 Aufnahmen:
<b>Disc Eins</b> von „Elvis Back In Nashville – 50th Anniversary“ enthält 18 Titel und beleuchtet die Country/Folk- Aufnahmen (u.a. ein unveröffentlichtes Elvis-Projekt mit Songs von Ewan McColl, Gordon Lightfoot, Kris Kristofferson, Buffy Sainte-Marie und Bob Dylan), The Piano Recordings (Elvis singt Ivory Joe Hunter mit Klavierbegleitung) und die Pop-Sessions (klassische Pop-Kompositionen wie "Padre", "Fools Rush In Where Angels Fear To Tread", "My Way", "I'm Leavin'" und mehr).
<b>Die zweite Disc</b> enthält 25 Tracks, die zwischen den spirituell inspirierten Liedern (klassischer und zeitgenössischer Gospel) und den Christmas-Songs (sakrale und säkulare Festtagsmusik) aufgeteilt sind.
<b>Disc Drei</b> enthält 19 Songs, knüpft an das Country-Pop-Repertoire von Disc Eins an und fügt aber auch etwas Rock 'n' Roll hinzu, darunter improvisierte Auftritte von "Johnny B. Goode" und "Lady Madonna", eine epische Interpretation von Bob Dylans "Don't Think Twice, (It's Alright)", neue Interpretationen von "Help Me Make It Through The Night", "Early Morning Rain" und einiges mehr.
<b>Disc Vier</b> enthält 20 weitere Titel, die Outtakes der Gospel- und Christmas-Sessions vereinen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.01.2022
Norbert Putnam
Elvis Presley, Charlie McCoy, The Imperials, The Nashville Edition, Marry Holladay, Ginger Holladay, Millie Kirkham, Temple Rise, June Page, Sonja Montgomery
James Burton, Chip Young
David Briggs, Glen Spreen, Joe Moscheo, Charlie McCoy
Jerry Carrigan, Kenneth Buttrey
Charlie McCoy (Percussion, Harmonika)
RCA Records/Legacy/Sony Music
78:18
12.11.2021