Eine Popstar war die New Yorker Künstlerin EMILY WELLS ja noch nie. Nicht ein mal dann, wenn sie mit ihrer Geige, einem Mikro-Keyboard, Loop-Station und Kickdrum als Ein-Frau-Orchester auf den Club-Bühnen stand und mit ihrem faszinierenden Mix aus Indie-Pop, Hip-Hop, Elektronika, Kook-Pop und Club-Elementen ein breitgefächertes Publikum generationsübergreifend begeisterte. Mit Live-Auftritten ist das ja momentan so eine Sache. Insofern musste sie für das neue Album „Regards To The End“ im Lockdown auch ihr Konzept umstellen und ihre Songs im heimischen Studio bereits sorgfältig ausarbeiten, bevor sie dann darangehen konnte, die Arrangements – speziell die Streicher- und Bläser-Passagen – peu a peu und online mit Beiträgen von echten Musikern und Gästen auskleiden zu lassen.
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Dabei wechselte EMILY WELLS von der Gitarre zum Klavier als Leitinstrument und setzte ihr Haupt-Instrument, die Geige, eher in einem lautmalerischen Kontext ein. Sicherlich zupass kam ihr dabei der Umstand, dass sie sich als klassisch ausgebildete Komponistin, Arrangeurin, Multiinstrumentalistin und Produzentin sehr konkret in die musikalische Gemengelage hineindenken konnte.
Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, wieso die neuen Songs im Vergleich zu den experimentelleren, avantgardistischen Vorgängeralben „Mama“, „Promise“ und „This World Is Too ____ For You“ deutlich songorientierter und in Form opulenter, elegischer organisch/elektronischer Hybrid-Balladen in einem klassischen Setting daherkommen.
Auf die früher üblichen Experimente mit Hip-Hop-Anleihen und avantgardistischen Experimente verzichtete sie diesmal hingegen, wodurch mit „Regards To The End“ ihr zugänglichstes, versöhnlichstes, emotionalstes und auf fragile Weise auch verletzlichstes Werk entstand.
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FAZIT: Ein Thema für ihre Alben zu finden und dabei ihre Inspirationen aus Kunst, Spiritualität, Poesie, Politik und Philosophie zusammenzuführen, ist für EMILY WELLs eine Herzensangelegenheit. Dieses Mal entschied sie sich auf „Regards To The End“ dafür, mit einer Reihe von Hommagen an und Porträts von Künstlern, die in der ersten Phase der AIDS-Pandemie in den 80er Jahren aktiv waren, die Themen Vergänglichkeit, Existenzkrisen (neben AIDS selbstredend auch die Klimakrise und die Pandemie), Empowerment, Soziale Gerechtigkeit, Geschlechtliche Identität und Geschichte zu einem kulturellen, sozialen und politischen sowie künstlerischen Statement zu verquirlen. Kein Wunder also, dass ihre „Empfehlungen an das Ende“ auch aus diesem Grund nicht zu einer fröhlichen Party-Scheibe werden konnte, sondern zu einem bemerkenswerten, facettenreichen Artpop-Gesamtkunstwerk mit politischem Hintergrund.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.03.2022
Emily Wells
Emily Wells
Emily Wells
Emily Wells (Geige)
Sub Pop
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11.03.2022