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Reviews

Fabian Simon & The Moon Machine: Slap Back Baby

Stil: Kraut-, Folk- und Indie-Rock, Psychedelic, Singer/Songwriter, Dreampop, Shoegaze

Cover: Fabian Simon & The Moon Machine: Slap Back Baby

Hat das nun etwas Erotisches oder doch eher Abtörnendes, wenn man es auf ein vergnügliches Beisammensein mit seinem Baby ankommen lässt, das gerne auch mal Ohrfeigen verteilt?
Aber nein – dieses Album ohrfeigt einen nicht, sondern spielt auf das 'wirkliche' Thema dahinter an: ein Slapback Delay, das die Popmusik bereits in den 1950ern mit kurzen Echos von der Studio-Bandmaschine bereicherte. Es sind also die Echos (und keine Ohrfeigen – die man ebenfalls mit 'Slap Bag', genauso wie das Zurückschlagen, übersetzen kann), denen sich das Album widmet – egal ob aus technischer oder persönlicher Sicht, getreu dem Motto: 'Wie man in den Wald hineinruft,...'

FABIAN SIMON & THE MOON MACHINE begeben sich bereits vom seltsamen Albumtitel her auf die Suche nach einer klang- und echovollen Antwort, auch wenn die nicht als eigenständiger Titel auf dieser LP auftaucht, dafür aber entdeckt man unter den insgesamt 10 Songs einen mit dem deutschen Titel „Über die Geduld“, der ausschließlich darauf hinzuweisen scheint, dass wir es hier mit einem typisch deutschen Musik-Genre, dem Krautrock, zu tun bekommen. Wer also auf einen deutschen Text wartet, tut dies vergeblich – denn dieses Geduldspiel ist psychedelisch-instrumentaler Natur und noch dazu auf dem Platten-Cover in falscher Reihenfolge angegeben, denn „Über die Geduld“ läuft vor „Here Comes The Rain“, einer ansprechenden Ballade, aber nicht danach.

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Ziemlich verwirrend eben, ähnlich wie uns zuvor bereits auf der LP-A-Seite der „21st Century Blues“ verwirrte, der eigentlich viel weniger Blues als viel mehr zärtliche Folk-Ballade ist, die einen noch dazu an „Cirrus Minor“ aus dem Soundtrack „Obscured By Clouds“ von PINK FLOYD erinnert. Und dessen Anfänge auf ein Konzert von SOPHIE HUNGER zurückgehen, das Simon noch kurz vor der Pandemie im Jahr 2019 besuchte.

Demgegenüber weist aber „A Peculiar Song“ durchaus ein paar Blues-Elemente auf und macht mehr Druck als alle anderen Songs des Albums. Wir erinnern uns ein wenig an die BYRDS und BEACH BOYS bei diesen Melodien und einem Rhythmus, der sofort zum Mitwippen einlädt und jegliches Trauerkloß-Gefühl vorerst beiseite legt.
Fast ein fröhliches Stück Musik, welches uns der sonst so grüblerisch und nachdenklich, aber auch vor Ideen nur so übersprudelnde FABIAN SIMON samt seiner THE MOON MACHINE zu bieten hat.

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FABIAN SIMON wird mit seinen Mondmaschine-Mannen die Welt wohl nicht mehr retten, so gerne er das auch wollte. Wohl gerade darum klingt seine Musik so wie aus Raum und Zeit gefallen, um sich in neue Sphären aufzumachen, die sich vorrangig in psychedelischen Singer/Songwriter-Gefilden mit deutlicher 70er-Jahre-Schlagseite (Nach wie vor kommen einem immer wieder SYD BARRETT oder NICK DRAKE in den Sinn!) abspielen. Das hat „Slap Back Baby“ auf jeden Fall mit dem zwei Jahre zurückliegendem Vorgänger <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Fabian-Simon--The-Moon-Machine/Coconut-Dreams/" target="_blank" rel="nofollow">„Coconut Dream“</a>gemein.
Und selbst die verrücktesten Ideen eines CAPTAIN BEEFHEART, dessen Fischkopf-Motiv im Video zu „Harbour Song Song“ auftaucht, lässt immer wieder grüßen und unsere Psyche entweder in Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgen, in der man sich mit Musik und Kräuterchen berauschte, oder erstmals – wenn man die Erfahrungen bisher noch nicht machen durfte – in einen Rausch verfallen, der ungeahnte Folgen haben könnte. So als würde man zum Schlafwandler, der mit Hilfe von THE MOON MACHINE den Mond anheulen möchte.

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Eigentlich ist FABIAN SIMON schon ein echter alter Musik-Hase, wenn es darum geht, im Indie-Pop seine Spuren zu hinterlassen, ohne dabei auf die ganz großen Business-Möhren auszusein. Darum hinterließ bei uns bereits <a href="http://www.musikreviews.de/live/Fabian-Simon/12-02-2009/" target="_blank" rel="nofollow">sein 2009er-Konzert im Dresdner Ost-Pol</a> großen Eindruck und auch seine 'Doppelkopf'-CD, auf dessen Cover er seinen Kopf mit dem seines Vaters, der ihn musikalisch schwer beeinflusste, ineinanderfließen lässt. Da bleibt natürlich viel hängen, denn die Musik, die der Vater wohl liebte, wurde genau zu der Musik, welche der Sohn später machte. Und der bleibt er konsequent treu – als da wären vielfältige Einflüsse: Kraut-, Folk- und Indie-Rock, Psychedelic, Singer/Songwriter, Shoegaze, Kammer- und Dreampop. Und natürlich diese Verträumtheit, die jedem Song innewohnt und dem Mond (genauso wie seine Band) offensichtlich näher ist als dem strahlende Sonnenschein.

So chaotisch sich auch die Welt präsentiert sowie mit Pandemien und Kriegen ihr Unwesen treibt, FABIAN SIMON stellt der ganzen Unruhe mit „Slap Back Baby“ einen Ruhepunkt entgegen, der aus einer unendlichen Musik-Quelle zu schöpfen scheint. Wir haben gerade Frühling und das ist sein Frühlingsalbum geworden. Eins, das weit ausholt und in dem auch Trompeten, Waldhörner, Zithern, Flöten, Harmonium und Xylophon auftauchen.

Man darf viel erwarten auf „Slap Back Baby“, nur eins nicht, einen Hang, den Wünschen anderer zu genügen, denn FABIAN SIMONs eigene Visionen sind das Musikmaß aller Dinge auf „Slap Back Baby“ und gerade darum haben alle, die ebenfalls noch mit eigenen Visionen durch die Welt wandeln und dabei immer wieder über irgendwelche Vollpfosten stolpern, wahrscheinlich viel Freude an dieser kräutrig-mondbeschienenen Pop-Musik samt Echo-Effekt.

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FAZIT: Nach dem bereits beeindruckenden „Coconut Dreams“-Album bleiben sich FABIAN SIMON & THE MOON MACHINE auch auf „Slap Bag Baby“ treu und präsentieren eine mordsgescheite, sich diesmal – statt um Kokosnuss-Träume – um Echos drehende, ideal für Vinyl geschaffene Mixtur aus Kraut-, Folk- und Indie-Rock, Psychedelic, Singer/Songwriter, Shoegaze, Kammer- und Dreampop. Sehr viel in den viel zu kurzen knapp 34 Minuten.
So viel ist doch in so kurzer Zeit unmöglich, oder?
Irrtum – FABIAN SIMON und seine kunterbunte Musik-Ideenwelt macht's möglich, auch wenn der Abschluss des Albums „One Strange Day“ nach einem großen Canto-General-Abgesang klingt und der letzte Teil noch dazu der Trompete überlassen wird.

<b><i>PS: Und hier noch eine feine Überraschung. Weil heute Pfingsten ist, verlosen wir als Highlight des Feiertags eine von FABIAN SIMON signierte „Slap Bag Baby“-LP (Einsendeschluss 11. Juni 2022), wofür ihr allerdings eine Frage beantworten müsst, deren Antwort ihr in dieser Review findet: „Welche beiden Songs wurden auf der LP-Rückseite bei der Angabe der Titel vertauscht?“
Die Antworten bitte bis spätestens zum 11. Juni an thoralfkoss@arcor.de. Der Gewinner der signierten LP wird am 12. Juni von uns per Mail informiert.
Viel Glück!</b></i>

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.06.2022

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (17:27):
  2. All Is Flow (2:53)
  3. Harbour Song Song (3:32)
  4. 21st Century Blues (3:35)
  5. A Peculiar Song (3:01)
  6. Man Inside The Man (4:26)
  7. <b>Seite B</b> (16:08):
  8. Traffic & Astronomy (3:03)
  9. Summerhill (3:32)
  10. Here Comes The Rain (3:17) *
  11. Über die Geduld (2:58) *
  12. One Strange Day (3:18)
  13. * die beiden Songs wurden von ihrer Reihenfolge her vertauscht

Besetzung

  • Bass

    Fabian Simon, Nicolas Schneider

  • Gesang

    Fabian Simon, Jakob Dinkelacker, Nicolas Schneider

  • Gitarre

    Fabian Simon

  • Keys

    Nicolas Schneider, Fabian Simon, Jakob Dinkelacker, Nicolas Schneider

  • Schlagzeug

    Jakob Dinkelacker

  • Sonstiges

    Fabian Simon (Harmonium), Jakob Dinkelacker (Trompete, French Horn)

Sonstiges

  • Label

    Listenrecords

  • Spieldauer

    33:35

  • Erscheinungsdatum

    22.04.2022

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