<b>„Liebe Leute, ich möchte mich mit diesem Livealbum für 40 wundervolle Bühnenjahre bedanken!“</b> (HRK im Inneren des Digipaks zu „Auf frischer Tat ertappt – Das Jubiläum Live“)
Heiß geliebt und/oder gehasst ist er mal wieder und in trauter Live-Regelmäßigkeit zurück: die singende, rockende und poppende Deutsch-Liedermacher-Moralinstitution HEINZ RUDOLF KUNZE, um mit ihrem bereits elften Live-Album der deutschen, intellektuellen Nation einerseits die Leviten zu lesen, andererseits aufzurütteln und dann in erster Linie in poppigen und balladesken Hit-Erinnerungen der 80er-Jahre schwelgen zu lassen. Und alle 'Idioten' kommen sowieso an den Kunze-Musik-Pranger, doch die gehören ja nicht zu seinem Klientel und ziehen sich lieber mehr die deutsch-nationale Härte rein, wenn böse Onkels wie Freiwild dem Musikstützpunkt Rammstein einen Besuch abstatten...
Natürlich ist er auch nach 40 Jahren noch immer der Mahner, der von der Bühne neben seinen beeindruckenden Liedern in seinen Sprechtexten die Zeitzeichen für sich deutet und wie gehabt den Mahner und Moralisten, aber auch den Oberlehrer (Wann verwende ich 'dasselbe' und wann 'das gleiche'?) spielt und damit über alle Idioten (Querdenker, Hassprediger, digitale Mobber, 'Genderer und Genderinnen', Hardcore-Vegetarier usw.) – zumindest aus seiner Sicht – herzieht und sich mit bewegenden Geschichten zu aktuellen Problemen (Ukraine, Klimawandel) äußert. Noch immer derselbe Alte, wie das ewig gleiche Publikum ihn eben liebt oder doch nur hasst, seiner irgendwie bestimmenden, manchmal viel zu kompromisslosen Art wegen. Aber dass er selber seine immer mächtiger werdende Körperfülle ironisch mit auf die Schippe nimmt, ist dann schon darum sympathisch, weil er eben nicht nur die Anderen, sondern auch sich kritisch betrachtet.
Oft stellt HRK seine Sprechtexte natürlich unmittelbar in Verbindung mit seinen Liedern, wobei beispielsweise schade ist, dass sein großartiger Song „Kadavermond“ über das Grauen von Tierversuchen nicht auch einen gesprochenen Text über die Tierquälerei erhält. Na ja, das fällt eben schwer, wenn man sich zuvor in einem anderen Text gegen die Vegetarier selber als leidenschaftlicher Fleischesser geoutet hat, was wirklich unübersehbar ist.
Doch einer, der immer kritisch blickt und vieles von der Bühne herab anprangert, der sollte sich bei seinem bereits 11. Live-Album aus Anlass des 40. Bühnenjubiläums „Auf frischer Tat ertappt – Das Jubiläum Live“, eine Doppel-CD im dreiflügeligen Digipak mit 12-seitigem Booklet, dann vielleicht auch mal über seine Danksagungen darin einen Kopf machen, die den Moralisten ein wenig anhand eigener Schwächen entlarven.
HRK dankt im Booklet jedenfalls zuerst einmal seinen namentlich genannten Piano- und Gitarren-Herstellern, bevor er diesen Dank auf Steffi und Matthias erweitert. Gleiches gilt dann auch für den Rest seiner Musiker, die fast ausschließlich ihren 'Instrumenten'(-Herstellern) danken. Leute, da hättet ihr doch gleich anstatt 'Danke' über diese Seite 'Werbung' schreiben können – nur passt das eigentlich so gar nicht zu einer der wichtigsten und mitunter extrem moralinsaueren Musik-Instanzen, die beispielsweise völlig zurecht gegen das gruselige, absolut unerträgliche Gendern kämpft (Weil einige Leute absolut nicht akzeptieren wollen, dass biologische und grammatische Geschlechter zwei völlig unterschiedliche Schuhe sind – so gesehen meinetwegen ein Quadratlatschen und ein Designer-High-Heel!), wenn diese sich auch mal an die eigene (ehemalige) Scheiß-Musikindustrie-Nase greifen würde. Ha, da haben wir den guten HRK doch tatsächlich selber „Auf frischer Tat ertappt“!
Dass seine Lieder wie immer großartig sind und mit VERSTÄRKUNG live ihre Wirkung erzielen, das wissen alle, die Kunze kennen und achten. Mit „Der Prediger“ startet Kunze auch gleich angriffslustig durch, lässt sich ein wenig Zeit bis zur ersten Ballade und geht dann mehr und mehr in Richtung seiner 'Hits', bei denen das Publikum bei „Dein ist mein ganzes Herz“ natürlich lautstark mitsingen muss.
Warum gibt es dann am Ende der zweiten CD eigentlich nur zwei Medleys – die immerhin insgesamt eine gute halbe Stunde lang dauern –, wenn das eine 'Heinz' und das andere 'Rudolf' heißt. Wo bitte ist denn da das 'Kunze'-Medley geblieben, als Nummer 3? Genug Songs hätte doch 'Brille' dafür bestimmt gehabt…
Oder hat das Publikum etwa nicht laut genug nach einer dritten Zugabe gefordert?
Eigentlich nicht vorstellbar…
Der Kritiker jedenfalls hätte geschwiegen, weil er Medleys bei Konzerten nicht ausstehen kann, da sie eigentlich nur kurz zusammengeschusterte 'Hitlatschen' sind, mit denen man dem Publikum das von ihnen Erwartete zum mageren Fraß vorwirft.
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FAZIT: Er ist und bleibt auch nach 40 Bühnenjahren noch immer der 'garstige' HEINZ RUDOLF KUNZE, der sich von seiner Bühne – oftmals in gewisser Weise dadurch auch 'von oben herab' – mit seinen Ansagen selbst als eine Art Prediger an sein ihm zu Füßen liegendes Publikum wendet, auch wenn er grade bei der Eröffnung seiner „Auf frischer Tat ertappt – Das Jubiläum Live“-Doppel-CD genau die Prediger im ersten Song angreift. Allerdings nur die, welche eben nicht in seinem Sinne 'predigen'. Und wenn er dann auch noch mit seiner VERSTÄRKUNG-Band antritt, dann dürfen sich alle HRK-Freunde auf eine spannende Mischung aus Rock und Balladen sowie Texte, die einen nachdenklich machen, auch mal ärgern oder provozieren und mitunter gar poetische Meisterleistungen sind, freuen. Kunze bleibt sich eben auch nach 40 Jahren treu, selbst wenn er gerade mit seinen Pop-Nummern die größten Erfolge hatte und genau dahin kam, wohin er anfangs angeblich nie wollte: in die (Schlager-)Hitparaden öffentlich-rechtlicher Mainstream-Medien, welche ihm am Ende die Aufmerksamkeit einbrachten, von denen er heute noch profitieren kann.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.11.2022
Leo Schmidthals
Heinz Rudolf Kunze
Heinz Rudolf Kunze, Manuel Lopez, Andrew Gräser
Heinz Rudolf Kunze, Matthias Ulmer
Jens Carstens, Andrew Gräser
Manuel Lopez, Andrew Gräser, Matthias Ulmer, Leo Schmidthals (Hintergrundgesang)
Meadow Lake Music/Rough Trade
118:48
25.11.2022