Mit seinem unterhaltsamen und alles andere als seichten letzten Studioalbum „Die Reaktion - The Last Jazz Vol. II“ landete Helge Schneider zu Recht in den ansonsten spießigen und von der Anspruchslosigkeit deutscher Musikhörer zeugenden Plattencharts, also lag es nahe, einen Konzertmitschnitt nachzureichen, den der Jazz-Kabarettist überraschenderweise in der luxemburgischen Nachbarschaft aufnahm.
"Live In Luxmbourg" dokumentiert Schneiders Auftritt im Den Atelier in Luxemburg-Stadt am 17. Dezember 2020 und zeigt den Künstler gut aufgelegt vor einem gleichsam heiteren Publikum. Die Interaktion ist nicht nur in den kauzigen Ansagen spürbar, wenn Helge etwa seinen Teekocher Bodo Osterling vorstellt, sondern auch anhand regelmäßiger Lacher der Zuschauer, wobei man formatbedingt freilich nicht sehen kann, was da gerade geschieht.
Ein Videomitschnitt wäre demnach die Krönung gewesen, doch "Live In Luxembourg" ist auch so ein kurzweiliges Unterfangen. Abgesehen von Auszügen von "The Last Jazz Vol. II" bietet Schneider an Klavier, Gitarre und - klar - Mikrofon unverzichtbare Standards aus seinem Repertoire, die klug am Ende des Programms platziert wurden. Das musikalische wie stimmungsmäßige Highlight ist neben ´Mood Indigo´ (Xylophon und teils arco gespielter Bass) die Interpretation des Standards ´Autumn Leaves´ im Verbund mit dem Mitmach-Anhängsel ´Scatman´.
Gemein ist den meisten Tracks, dass sie sich in Teilen deutlich von den Studio-Originalen unterscheiden, zumal Schneider sowieso für seine Stegreif-Modifikationen (nicht nur auf der textlichen Ebene) berüchtigt ist. Beim breit ausgewalzten ´Meisenmann´ und während des unausweichlichen Rausschmeißers ´Es gibt Reis´ wird es wieder Erwarten erst richtig besinnlich und schließlich intensiv feierlich.
FAZIT: Helge Schneider live in Bestform - in Ermanglung weiterer Konzerte des zwischenzeitlich wegen seiner verständlichen Kritik an der wegen Corona krampfhaft steifen Stimmung bei Konzerten in öffentlichen Verruf geratenen Künstlers in näherer Zukunft kann man sich kaum einen idealeren Ersatz vorstellen. Ein bisschen Dada sowie zu ungefähr gleichen Teilen Zeitgeist-Kommentare und zeitloser Kammerjazz, mehr braucht man nicht für niveauvolles Entertainment in genau richtiger Dosierung von Ernst und Leichtigkeit. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/8a0299486a8046ab9f9bd5cfa42e277b" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.03.2022
Railroad Tracks
57:21
18.03.2022