„Grey White Silver Yellow & Gold“ ist das sechste Studioalbum der kanadischen Band in 18 Jahren. Es zeigt eine gereifte Gruppe, die zwar unverkennbar Vorbilder besitzt, insbesondere PORCUPINE TREE landen beim gewählten Wechselspiel zwischen hart und zart als erstes im Ohr, aber eigene Trademarks pfleglich ausgebaut hat.
So startet das Album mit dem wuchtigen „Parasite“, welches gleich belegt, dass KARCIUS keine Geschwindigkeitsrekorde brechen und Breakweltmeister werden wollen. Atmosphäre steht im Vordergrund, die Band baut ordentlich Druck auf, der Sound eine Wand, deren einzelnen Bestandteile immer klar zu erkennen sind. Flächige Keyboardklänge sorgen für die flauschige Grundierung, auf der Gitarren, Bass und Drums sich mit voller Power ausmehren können. Sylvain Auclairs rauchiger Gesang, der bei gefühlvollen Tracks eine ganz eigene Sanftheit entwickelt, passt perfekt zur dynamischen Musik.
„The Ladder“ und „A Needle Tree“ sind zwei beeindruckende Longtracks und dürften zu den stärksten Elaborate der ersten Jahreshälfte 2022 gehören. Hier begegnen sich gediegene Härte und sachter Exkurs, melodisch mitreißend und mit abwechslungsreichem Tastenspiel versehen, das von den BEATLES bis zu ANEKDOTEN viele Freunde besitzt und bei „A Needle Tree“ in den E-Piano-Passagen unverhohlen und gekonnt mit Jazz liebäugelt. Zwei Monstersongs.
Der Rest fällt aber keineswegs ab. Musik, der es gelingt wie aus einem Guss zu klingen und trotzdem viele Facetten aufzuweisen. Höchst angenehm zudem, dass es keine Füllsel gibt, keine selbstverliebte Zurschaustellung der eigenen Fertigkeiten, kein Gegniedel bis der Arzt kommt. KARCIUS füllen Räume aus und sind dabei äußerst effizient. Kein beengendes Stapeln, keine überflüssigen Deko-Orgien.
FAZIT: „Grey White Silver Yellow & Gold“ ist ein würdiger Nachfolger des bereits famosen „The Fold“. Es geht gleich in die Vollen, um dann abzubremsen und auch in Zeitlupe Größe zu beweisen. Handwerklich tadellos, ausdrucksvoll und reich an Momenten, die Kopf, Bauch und Seele im Sturm einnehmen. Prog at it’s best
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.04.2022
Sylvain Auclair
Sylvain Auclair, Sébastien Cloutier
Simon L’Espérance
Sébastien Cloutier, Simon L’Espérance
Thomas Brodeur, Sylvain Auclair, Simon L’Espérance
Thomas Brodeur (Programming and Sound Design), Simon L’Espérance (Loops Programming)
Eigenpressung/Just For Kicks Music
56:22
18.03.2022