Die bewegte Karriere von KARG, die auch reich an Tonträgerveröffentlichungen ist, hätte nach abwechselnden Phasen als mehr oder minder richtige Band (jetzt wieder) und Soloprojekt stagnieren können, doch auch auf seinem insgesamt achten Studioalbum schafft es das Kollektiv aus Österreich, nicht auf der Stelle zu treten. Dass es sich dabei nicht neu erfinden muss, zeugt von seinem kompositorischen Einfallsreichtum und einer klaren Vision.
Dass das aktuelle Material praktisch in aller Abgeschiedenheit in einer Waldhütte entstand, erkennt man weniger an seiner Kompaktheit (alle Songs des "Hauptteils" von "Resignation" haben Überlänge) als an einer Gesamtstimmung, die etwas Selbstgenügsames, Weltfremdes ausstrahlt.
Im schwerfälligen ´Was bleibt´ arbeitet sich Mastermind J.J. und seine Gehilfen an erwartbar melancholischem Post Rock auf allenfalls vagem Black-Metal-Fundament ab. Verzweifeltes Geschrei und das Spiel mit den dynamischen Extremen Laut und Leise sind die gestalterischen Schlüsselprinzipien, die auch im weiteren Verlauf von "Resignation" angewandt werden; Überraschungen ergeben sich selten, wobei es oft so ist, dass die Beiträge der vielen Gäste aufhorchen lassen - in diesem Fall die Geige von Klara Bachmair (Firtan) und Christoph Höhls triumphierende Blechblasinstrumente im letzten Drittel des Openers.
In ´EBBE//FLUT´ gewinnen KARG ihrem Stil insbesondere auf der rhythmischen Ebene neue Seiten ab, während die beiden Frontfrauen von E-L-R den ohnehin opulenten Sound mit ihren Stimmen (Sprechpart inklusive in quasi-chorale Dimensionen überführen. Anschließend tut sich ´Grab der Wellen´ in erster Linie durch seine relative Geradlinigkeit und die richtig geile Zweitstimme von Patrick Ginglseder (Frontmann der Bayern-Knüppel Groza) hervor, wohingegen die komplexe wie wuchtige Viertelstunde ´Generation ohne Abschied´ gleich zwei bemerkenswerte Vokalisten vorstellt: Thomas Lackner von den räudigen Salzburger Black-Metallern Lûs und der Hamburger Hip-Hopper Private Paul, der auch im Rahmen seines eigenen "EmoPunkRap" gerne mit der Black-Metal-Ästhetik kokettiert.
Die Erstpressung der CD und das Vinyl mit zusätzlicher 7"-Single enthalten zwei Bonustracks, wobei es sich um eingedeutschte Coverversionen handelt, die zugleich die kürzesten Songs des Albums sind ´Einen Traum weiter dort fangen wir das Licht´ geht auf ´Dreaming My Dreams´ von der irischen Formation The Cranberries zurück; das Original stammt vom selben Album wie der Mega-Hit ´Zombie´ ("No Need to Argue", 1994), KARGs Umdeutung der hübschen Folk-Nummer ist mit zu hohem Gröl-Faktor diskussionswürdig, ´Fieberherz´ (´Fever Queen´ von den Post-Hardcorelern Nothing) gelingt aber vollends in seiner brutal-zärtlichen Interpretation, die nicht so weit weg vom Original ist.
FAZIT: FAZIT: Auf "Resignation" ringen KARG ihrem weitgehend konservativen, aber frisch und klischeefrei inszenierten Post Black Metal kleine Nuancen ab, und zwar einigermaßen mühelos und mit Crossover-Potenzial, denn der hochemotionale Stoff der Band spricht vielleicht zum ersten Mal direkt auch Freunde deutscher Indie-Rock-Kost an… und dass die Chose dabei kein bisschen nach Hipstertum mieft, darf man J.J. und Co. hoch anrechnen. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/d809e7a4128246c595bc2e09259231f0" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.11.2022
J.J.
J.J., Daniel Lang, Chris Purch
Daniel Lang, Chris Purch, Georg Traschwandtner
P.F.
Klara Bachmair (Violine), Christoph Höhl (Trompete, Flügelhorn), Private Paul, I.R., S.M., P.G., T.L.
Art Of Propaganda / Edel
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25.11.2022