„I'm headed for nowhere“ singt die Leipziger Musikerin KARO LYNN in dem Song „Still, Staring Ahead“ von ihrem dritten Album „A Line In My Skin“; und in dem Song „When All Is Still The Same“ heißt es: „I got caught in circles when all is still the same.“
Tatsächlich geht es der Musikerin hier also um Zustände des Verharrens, um kinetische Energien um internalisierte Vorgänge. Es kann natürlich nur gemutmaßt werden, aber vermutlich haben die Isolations-Szenarien der Pandemie eine gewisse Auswirkung auf die Thematik gehabt, die KARO LYNN sich für das Album zurechtgelegt hat – denn ihr letztes Album „Outgrow“ erschien noch rechtzeitig vor der COVID-Phase.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/7PeAB13vMHw" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Dabei lässt sie in einer Art verinnerlichtem Monolog auch Gedanken zu den Themen der Zeit – beispielsweise die Umweltzerstörung und Klimakrise – in ihre Gedankengänge einfließen.
Die Linien in der Haut, die dem Album den Titel geben, dürften dann die Spuren sein, die das Leben eben nun mal hinterlässt. Gegenbefalls sind es aber auch die Lebenslinien der Handflächen, die den Lauf des Lebens nach Ansicht von Spiritualisten vorgeben, die gemeint sein könnten.
KARO LYNN legt sich niemals buchstabengetreu fest. Gerade diese Ambivalenz aber macht einen Zugang zu ihren Songs auf universeller Ebene erst möglich.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/-wsWcyVEL6I" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
Über der ganzen Produktion liegt ein konstruktiver Hauch von Schwermut, der den besungenen Szenarien den notwendigen Tiefgang verleiht.
Ernsthaft klingt (und ist) KARO LYNN ja sowieso, was bei der einzigartigen Gesangstimme natürlich auch kein Wunder ist. Besonders interessant ist hierbei, dass ihre Stimme dadurch noch eine Spur tiefer und somit zugleich tiefgründiger erscheint – wodurch sich der eh schon vorhandene Wiedererkennungswert nochmals steigert. Die von Bára Finnsdóttir & Petra Valdimarsdóttir inszenierten Videos setzen diese Stimmung in perfekter Weise in Bilder um und machen diese zu einem wesentlichen Bestandteil des Projektes.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/at61LjueBfY" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe></center>
FAZIT: Noch auf ihrem letzten Album „Outgrow“ favorisierte KARO LYNN die akustische Gitarre als Leitinstrument, was ihren Songs fast schon zwangsläufig ein gewisses Folk-Pop-Flair verlieh. Von diesem Prinzip lösten sich die Musikerin und ihr Produzent (und Drummer) CORNELIUS MILLER für das neue Werk und setzten auf atmosphärische Klangflächen und transparent inszenierte elektrische Gitarren, die in einem druckvollen (um den Ausdruck 'rockig' zu vermeiden) Indie-Pop-Umfeld immer wieder für musikalische Überraschungen sorgen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass dabei die Betonung der melodischen Aspekte zugunsten eines eher atmosphärischen Ansatzes zurückgefahren wurden. Tatsächlich betätigt sie sich auf „A Line In My Skin“ dieses Mal weniger als klassische Songwriterin oder gar Geschichtenerzählerin, sondern als vielseitig agierende, emotionale Klangmalerin.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.11.2022
Karo Lynn, Johanna Amelie
Karo Lynn
Cornelius Miller
Strays Don't Sleep
41:29
25.11.2022