Bei "Comalies XX" handelt es sich weder um eine plump mit vernachlässigbaren Gimmicks aufgehübschte Wiederveröffentlichung ebenjenes Albums zur Feier des 20. Jahrestages seiner Erstveröffentlichung, noch verbirgt sich hinter dem Titel eine Schale Neueinspielung des Materials, das Fans sowieso exakt so hören möchten, wie es seinerzeit auf Platte verewigt wurde. LACUNA COIL haben ihr Schlüsselwerk praktisch komplett auseinandergenommen und neu zusammengesetzt.
Das ursprünglich 2002 herausgekommene dritte Album der italienischen Formation, dass sich bis heute übrigens eine halbe Million Mal (!) verkauft hat, markierte kaum ein halbes Jahrzehnt nach der Gründung der Band einen Quantensprung und wurde noch mit zwei Gitarristen eingespielt, die heute nicht mehr zur Besetzung gehören (was auch für Drummer Cristiano Mozzati gilt). Marco Coti Zelati, der Bassist, Gitarrist und musikalische Kopf des Quintetts zeichnet nun für die Produktion verantwortlich, wohingegen Waldemar Sorychta, der eine Zeitlang quasi Hausproduzent des Labels Century Media war, die Entstehung der Urfassung in den Hagener Woodhouse Studios begleitete.
Dass ihr euch die Version zulegen solltet, die ebenfalls die originalen Aufnahmen enthält, versteht sich von selbst - aber was bietet nun die Neuinterpretation der 13 Songs, die insgesamt mehrere Minuten kürzer sind als die ersten Versionen? LACUNA COIL haben es sich wider Erwarten nicht so einfach gemacht und das Material schlicht ihrem "modernen", offen amerikanisierten Sound angepasst. Zeitweise klingt die Band für ihre jetzigen Verhältnisse sogar regelrecht anachronistisch, wenn Sänger Andrea Ferro etwa traditionell growlt wie im damaligen Hit ´Heaven´s A Lie´ oder ganz allgemein in puncto Keyboard-Sounds.
Die neuen Arrangements mancher Tracks zeugen von Mut (´The Prophet Said´, ´The Ghost Woman And The Hunter´), während andere auch in veränderter Form unterstreichen, wie fit LACUNA COIL kompositorisch waren und sind. Zeitlose Ideen gehen auch bei einer solchen Transformation nicht unter, geschweige denn kaputt.
FAZIT: "Comalies XX" ist ein origineller Einfall, was Geburtstagsfeiern für klassische Alben betrifft. LACUNA COIL dekonstruieren ihren einstigen Durchbruch mit Feingefühl und stellenweise nicht ohne Risiko, doch das Ergebnis überzeugt als echte Alternative zum Original, wobei gerade die früheren Sleeper-Tracks ein schärferes Profil erhalten, sodass man sie rückwirkend hervorheben möchte. So gehen Jubiläen - nachmachen erwünscht! <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/6035c42bb2c546ad949e9741bea037f9" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.10.2022
Marco Coti Zelati
Cristina Scabbia, Andrea Ferro
Diego Cavallotti
Richard Meiz
Century Media / Sony
47:35
14.10.2022