All jene, die früher immer alles besser fanden, waren bei KURT WAGNERs Projekt LAMBCHOP sowieso noch nie an der richtigen Adresse, denn obwohl sich aufgrund seines lakonischen Charakters stets auch immer eine Spur von Kontinuität im LAMBCHOP-Ouevre fand, galt das nie für die musikalische Seite.
LAMBCHOP waren schlicht nie „wie früher“. Stattdessen gab es mit jedem neuen Recording-Projekt Aspekte, die die musikalische Bandbreite des Ensembles verschoben und ausweiteten. Spätestens aber, seitdem sich Wagner unumwunden zu seiner Passion für elektronische Mittel der Klangerzeugung bekannte, verlor die Band aus Nashville (die nie eine Band im klassischen Sinne gewesen ist) jene Fans der ersten Stunde, die LAMBCHOP fälschlich für eine verlässliche Quelle psychedelisch verdrehter Americana-Sounds gehalten hatten.
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Bemerkenswerterweise wurden diese verlorenen Fans dann aber durch neue ersetzt, die aufgeschlossener an die Sache herangehen.
Heutzutage kennt KURT WAGNER als künstlerischer „Maitre d'“ nun überhaupt keine Hemmungen, Regeln oder gar stilistische Dogmen mehr. Auf dem neuen Album „The Bible“ gibt es in lockerer Folge soundtrackartige Orchester-Partituren, locker funkigen Disco-Soul, afrikanische Bläsersätze, Gospel-Referenzen, Jazz- und Blues-Elemente galore, Electronica, Krautrock-Inspirationen, Ambient-Klangflächen und sogar (allerdings gut im Soundmix versteckte) poppige Refrains zu entdecken.
Go Figure! – von LAMBCHOP muss sich heutzutage einfach jeder selbst sein Bild machen.
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Das räumt KURT WAGNER auch freimütig ein, denn erklären kann er seine künstlerische Arbeitsweise auch nur in Ansätzen – und die inhaltliche überhaupt nicht. Freimütig gibt er zu, dass es für Außenstehende unmöglich ist, seine assoziativen Lyrics zu entschlüsseln – und selbst erklären möchte er sie auch nicht.
Das bedeutet, dass es auf „The Bible“ um alles mögliche gehen wird – vermutlich aber überhaupt nicht um eine Art Neuinterpretation der Bibel. Das alles passt aber auf wundersame Weise zusammen, macht kreativen Sinn und zeitigt immer wieder auch attraktive (zugegebenermaßen aber manchmal auch durch nickelige Störfeuer wie z.B. Beavis & Butthead-Samples aufgebrochene) Ergebnisse.
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FAZIT: Inspiriert von dem alten Blues-Song „Police Dog Blues“, den KURT WAGNER zum Startpunkt seiner neuen musikalischen Reise in Sachen spiritueller Erfüllung machte (die dann letztlich auch den Titel des Albums „The Bibel“ motivierte), löste er sich bewusst von seinen Nashville Roots und spielte das neue Album zusammen mit seinem Pianisten ANDREW BRODER und seinem Produktionspartner, Tech-Whiz RYAN OLSON in einer ehemaligen Lackfabrik in Minneapolis ein. Es wäre vielleicht zu viel gesagt, dass sich genau das aus dem neuen Material heraushören ließe – allerdings ist „The Bible“ vielleicht die LAMBCHOP-Scheibe, die am weitesten entfernt ist von den ursprünglichen Roots des Projektes.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.09.2022
Kurt Wagner
Andrew Broder
City Slang
49:57
30.09.2022