„See You In The Stars“ – beabsichtigt oder nicht, aber solch ein Albumtitel trägt etwas Trauriges in sich, etwas, das an einen Verstorbenen erinnert, dem nicht der Himmel, dafür aber die Sterne offenstehen. So wie beispielsweise einem DAVID BOWIE oder LEONARD COHEN, nach denen man jeweils einen Stern benannte. Auch gehen die Erinnerung an diese Band um den nunmehr bereits 64jährigen IAN BROUDIE weit in die Vergangenheit zurück, als sie das Licht in die Radiostationen säte, die damals noch mehr als billigste öffentlich-rechtliche Format-Kacke mit zwanghaft lustigen Moderatoren und labelbepreisten Allerweltsmusike zu bieten hatten.
Jedenfalls waren LIGHTNING SEEDS seit über zehn, ganz genau wohl 13, Jahren vom musikalischen Erdboden fast spurlos verschwunden, um nun völlig überraschend als ein weiterer Stern am verfinsterten Musik-Himmel aufzutauchen, der ganz ähnlich glüht wie in längst vergangenen und wohl auch vergessenen Zeiten.
Da muss sogar die Emily lächeln…
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Noch immer hat Broudy diese charismatische Stimme, die man überall sofort wiedererkennt und auch sein Gespür für eingängige Melodien ist ihm nicht abhandengekommen. Allerdings fehlen die ganz großen Hits der Marke „The Life Of Riley“ über seinen (damals) kleinen Sohn oder seine fußballleidenschaftliche Hymne „Three Lions“ und die rockigere Nummer über eine Welt voller Narren mit „Changes“. Dafür aber werden Gedanken daran durch einen Song wie „Emily Smiles“ geweckt und dass man auch gerne mal mit einem positiven Blick durch die Welt wandeln darf und dabei eine schöne Melodie im Kopf hat, beweist das beatleeske „Great To Be Alive“: „It's great to be alive, it's true yeah“. Wer bitte traut sich heutzutage eigentlich noch, mit solch einfacher, beinahe banaler, Botschaft seine Songs zu entwerfen?
Genau!
Diejenigen, die statt Dunkelheit als LIGHTNING SEEDS viel lieber Licht säen und deren größter Gärtner IAN BROUDIE ist. Ein richtig guter Song, diese Hymne an das Leben – hätte sie beispielsweise ein JOHN LENNON noch singen können – wäre ein grandioser Hit geworden.
Und dass es einen echten Wohlfühl-Hit im allerbesten Brit-Pop-Style mit „Sunshine“ gibt, der eigentlich an jede Radiostation-Tür freudestrahlend anklopft, sollte hier nicht verschwiegen werden, genauso wenig wie die Tatsache, dass alle zehn Songs des Albums mit ihren standardisierten Laufzeiten zwischen zwei und vier Minuten ihre Arme weit ausstrecken, um – wo auch immer – ein ordentliches Airplay zu erhalten. Und dass die Texte dabei ebenfalls in all ihrer Banalität („I'd love to love you love / I's love to love you // I'd live to love you / I'd love to love you love“) nicht sonderlich ins Gewicht fallen, passt nur zu gut in dieses Bild.
Am Ende jedenfalls verbreitet das Album dermaßen viel gute Laune, Liebe, Freude und Poppigkeit, dass man in diesen leider anscheinend immer finster werdenden Zeiten regelrecht ein schlechtes Gewissen bekommen kann.
Doch wem ist damit eigentlich geholfen?
Darum darf auf „See You In The Stars“ auch gerne durch die Sonne getanzt werden, wie nach den extrem poppigen Rhythmen von „Sunshine“, weil dabei die Welt viel schöner und herzlicher aussieht. Auch das klingt natürlich textlich mitunter recht banal und kommt nicht an die deutlich besseren Lyrics der früheren Jahre heran. Manchmal ist es einfach zu viel Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung und selbst ein Song wie „Permanent Danger“, bei dem man glaubt, nunmehr ein gehöriges Schisspotenzial um die Ohren gehauen zu bekommen, beweist sich als ein weiterer Mutmacher: „So tell me someone good cos / I feel like I'm in danger“. Ganz so leicht überwindet man dann heutzutage wohl doch nicht seine Depressionen. Aber vielleicht hilft einem ja der Song dabei, wenn man gleich danach aufgefordert wird: „Try and walk a mile in my shoes baby“ („Walk Another Mile“)
Also: Kopf hoch, Ohren auf und die Gardinen im Kopf aufziehen, um mit der leuchtenden Saat die Sterne zu bewundern und den beschwingten Rhythmen zu lauschen.
Wahrscheinlich in Anregung des Songs „Green Eyes“ kam man bei der LP-Variante auf die gelungene Idee, auch dem Vinyl eine dunkelgrüne Farbe zu verpassen. Sieht wirklich gut aus – und klingt außerdem auch vom Sound her sehr gut.
Hohen Anspruch oder eine längere Laufzeit (Das Album ist noch nicht einmal schlappe 32 Minuten lang!) sollte allerdings niemand erwarten – aber guten Indie-Pop gibt’s hier von Broudie und seinen musikalischen Mannen zur Genüge geboten.
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FAZIT: LIGHTNING SEEDS erweisen sich unter ihrem mittelmäßigen bis ganz guten Songwriter und zugleich richtig guten Sänger IAN BROUDIE als die permanenten Mutmacher und Stimmungsaufheller, getreu ihrem Bandnamen. 13 Jahre dauerte es, bis sich LIGHTNING SEEDS in gewohnt angenehmer Indie-Pop-Qualität auf „See You In The Stars“ zurückmelden und ihre Hymnen, Balladen und Tanzlieder in altgewohnter Weise erneut aufstrahlen lassen. Wer derzeit als ewiger Miesepeter nur durch dunkle Zeiten zu latschen glaubt, darf gerne als nächtlichen Aufheller mit LIGHTNING SEEDS' „See You In The Stars“ eine Reise zu den Sternen unternehmen, selbst wenn nicht sicher ist, ob sich dieses an die alten Zeiten erinnernde 'Hit'-Album im 80er/90er-Jahre-Flair am Ende doch nur als eine Sternschnuppe herausstellt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.10.2022
Ian Broudie
BMG
31:36
14.10.2022